Freitag, 9. März 2012

Der individualisierte Nürnberger Trichter. - Teil I: Lernstraßen

Wenn alles schläft
und einer spricht -
das nennt der Lehrer:
"Unterricht".


Mit dem Nürnberger Trichter wird eine mechanistische Weise des Lernens und Lehrens bezeichnet. Damit ist vor allem die Vorstellung verbunden, ein Schüler könne sich mit dieser Form von Didaktik Lerninhalte einerseits fast ohne Aufwand und Anstrengung aneignen und ein Lehrer andererseits auch dem „Dümmsten“ alles beibringen. [wikipedia]

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Erste Hilfe: Lernstraßen und "Frei"-Arbeit ...

... waren der erste Versuch, den Unterricht zu individualisieren, denn immer weniger Schüler (meistens männlichen Geschlechts) waren bereit zu schlafen, wenn die Lehrkraft sprach und/oder sich etwas einrichtern zu lassen. (siehe auch "7-G-Unterricht" in diesem Blog).  Zugleich waren Lernstraßen und sog. Frei-Arbeit auch  Erste-Hilfe-Maßnahmen der LehrerInnen gegen ihr eigenes Burn-Out: Statt eine pubertierende Klasse "bändigen" zu müssen, die weder schlief noch zuhörte, wurde ein großer Teil der LehrerInnen-Energie in das heimische Wohnzimmer der Lehrkräfte verlagert, wo dann im Kreise der Familie oder von KollegInnen Lernstraßen gebastelt, kopiert und foliert wurden und Materialien für die Freiarbeit am nächsten Tag in der Schule gesammelt und zusammen gestellt.

Das war ein gewisser Fortschritt: 
Die SchülerInnen mussten nicht im Gleichtakt arbeiten, sie konnten selber tätig werden und sich im Klassenzimmer bewegen, sie konnten die Reihenfolge der Stationen individuell auswählen, sie konnten meist ihre Ergebnisse selber auf die Richtigkeit überprüfen und ggf. die "Station" noch einmal durcharbeiten;  die LehrerInnen konnten ihre Stimmen und sich selber in der "Stunde" schonen und hatten evtl. auch weniger Korrekturen.

Die andere Seite:
"Frei" war diese Freiarbeit nicht wirklich. Die SchülerInnen konnten an den Stationen einer Lernstraße nur mehr oder weniger die Lern-Schritte nachvollziehen, die die LehrerInnen ihnen vorgegeben hatten. Das Material war in seiner Auswahl beschränkt, oft auch fertig von Verlagen gekauft, kreativ arbeiten war damit nur eingeschränkt möglich, das Niveau oft eher bescheiden... Von Konstuktivismus keine Spur.

Und: Der Trichter blieb. Es war der erste Schritt zur Individualisierung des Nürnberger Trichters. Denn die Lernstraße legte in enger Weise fest, welcher "Stoff" und mit welcher Methode den Lernenden eingetrichtert werden sollte. Nur: Sie mussten es sich selber eintrichtern. Die Lehrkraft konnte sich zurücknehmen, durchatmen, unterstützen...

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Der zweite Schritt der Individualisierung

Der individualisierte Unterricht definiert den Unterricht neu.
Individualisiertes Lernen oder Individualisierter Unterricht beschreiben die Berücksichtigung eines jeden einzelnen Individuums innerhalb einer Lerngruppe. Während bei der Differenzierung lediglich zwischen verschieden leistungsstarken Gruppen unterschieden wird (z. B. gute, mittlere, schwache), soll bei der Individualisierung jedes Individuum einzeln betrachtet werden, was u.A. die Einbeziehung der individuellen Persönlichkeit jedes Gruppenmitgliedes ermöglicht.
Ela Eckert (in: Hilbert Meyer: Was ist guter Unterricht?, S. 97) definiert wie folgt:


Individuelles Fördern heißt, jeder Schülerin und jedem Schüler die Chance zu geben, ihr bzw. sein motorisches, intellektuelles, emotionales und soziales Potential umfassend zu entwickeln und sie bzw. ihn dabei durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen (durch die Gewährleistung ausreichender Lernzeit, durch spezifische Fördermethoden, durch angepasste Lehrmittel und gegebenenfalls durch Hilfestellungen weiterer Personen mit Spezialkompetenz). [Quelle: wikipedia]

Als Indikatoren für Individualisierten Unterricht werden genannt:
  • Das Arbeiten an unterschiedlichen Aufgaben auf unterschiedlichen Niveaus, ggf. an verschiedenen Themen, Interessensschwerpunkten anhand unterschiedliche Lehrbücher, Lernmaterialien und Arbeitshilfen
  • Zusätzliche Hilfen für schwache SchülerInnen, Unterstützung durch Lerncoaches, die auch starke SchülerInnen herausfordern und beraten
  • Reflexion des Lernfortschritts seitens der Schüler (Metakognition, Selbsteinschätzung, Lerntagebücher...)
  • Lernschleifen, kein "Sitzenbleiben"
  • Lernstandsdiagnostik, Förderpläne und -Angebote für starke und schwache SchülerInnen
  • Genügend Zeit steht zur Verfügung, individuelles Lerntempo
  • Leistungsüberprüfungen individuell und nicht zentral zur gleichen Zeit
  • Die Möglichkeit einer Auszeit
  • Kinder mit gesundheitlichen Problemen werden berücksichtigt (Inklusion)
  • Kompetenter Umgang mit Heterogenität
  • Die Möglichkeit zur Arbeit an eigenen Schwerpunkten
  • Sensibilisierung der Kinder für Leistungsunterschiede – Kinder unterstützen sich gegenseitig, ggf. "kooperatives Lernen" als Ergänzung zum individualisierten Lernen
  • Transparente Leistungserwartungen (z.B. durch Kompetenzraster)
  • ggfs. additive Unterrichtsangebote
  • ...
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