Montag, 26. März 2012

Bildungs-Check der Schwäbischen Zeitung

Video:



 Die "SZ" schreibt: 

"Das Thema „Bildung“ ist gerade in aller Munde. Gemeinschaftsschule, G8 oder G9 an Gymnasien und die Abschaffung der Grundschulempfehlung liefern viel Diskussionsstoff. Dabei wird vielfach ausgeblendet, dass an den Schulen generell eine hervorragende Arbeit geleistet wird.
Dies möchten die Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten mit einem großen Schultest untermauern. Dazu liegt der Samstagsausgabe ein Fragebogen bei, der sich einerseits an Schülerinnen und Schüler sowie andererseits an deren Eltern richtet. Themen sind der bauliche Zustand der Schulen, die Unterrichtsausstattung, die Zusammenarbeit und das soziale Klima.

Egal, um welchen Schultyp es sich handelt, spannend ist dieser Test für Schüler allemal, denn sie dürfen selbst Noten von eins wie sehr gut bis sechs wie ungenügend vergeben. Gleiches gilt für die Eltern, nur eben auf einem extra Fragebogen. Bewertet werden sollen zum Beispiel die Sauberkeit der Toiletten, die Ausstattung der Klassenzimmer und der Fachräume oder das Essensangebot in der Mensa – jedenfalls sofern vorhanden. Ebenfalls bewertet werden soll die individuelle Förderung der Kinder entsprechend ihrer Stärken und Schwächen. 

Zu Wort kommen werden im Schulcheck auch die Schulleiter und Lehrkräfte. Unser Medienhaus verschickt daher in den nächsten Tagen eigene Fragebögen direkt an die Schulleitungen im Verbreitungsgebiet.
Die Ergebnisse der nicht repräsentativen Fragebogenaktion ergeben ein Meinungsbild, das wir im Rahmen der Serie „Der Schulcheck“ redaktionell aufarbeiten und in den Aalener Nachrichten/Ipf- und Jagst-Zeitung in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten darstellen werden." 

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Der GEW-Kreisvorsitzende Erb meint dazu:

Ravensburg/Friedrichshafen.
Die GEW unterstützt alle Bemühungen um konstruktive Prozesse zur Qualitätsentwicklung an den Schulen.
...
Die GEW hat mit Interesse die aktuelle Schulcheck-Aktion der Schwäbischen Zeitung zur Kenntnis genommen. Wenn dadurch mehr Transparenz über die pädagogisch-fachliche Arbeit an den Schulen bei den Eltern und anderen an der Bildungspolitik interessierten Mitbürger/innen entwickelt werde, sei dagegen nichts einzuwenden. Erb hält es indes für fraglich, ob im vorliegenden, begrenzten Fragebogen mit knapp 20 Fragen in einer Skala der bekannten Schulnoten Qualität, Leistung und besonders die neuen pädagogischen Ansätze in vielen Schulen "hinreichend aussagekräftig" zum Tragen kämen.
...
 "Schulnoten werden nach und nach durch andere und bessere Beurteilungskriterien ersetzt und ergeben ein differenzierteres Bild. Dies ist in den vorliegenden Fragebögen nicht berücksichtigt."
...
Ob eine Schule die richtige für das Kind ist, können Eltern immer noch am Besten entscheiden, wenn sie sich nach Einschätzung der GEW ein unmittelbares Bild von den Verhältnissen an dieser oder jener Schule machen und auf eigene Erfahrungen in ihren Schulgemeinden setzen.

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Schaun wir mal, was dabei heraus kommt...

Dienstag, 20. März 2012

Der individualisierte Nürnberger Trichter. - Teil III: Lernpakete. - Jeder hat sein Päckchen zu tragen.

Der programmierte Unterricht

"Der Programmierte Unterricht ist eine didaktisch-methodische Möglichkeit des Lehrers, den Unterricht zu gestalten. Man kann ihn unter „Eigenlernen des Schülers“ einordnen."
[wikipedia]


Vielleicht erinnern sich ältere Lehrkräfte noch an die etwas kompliziert aufgebauten Bücher zum Programmierten Lernen. Selbst im Religionsunterricht wurden sie verwendet. Es gab in den Büchern einen Informationsteil, heute würde man "Input" sagen, und nach jedem Input kamen Fragen und Aufgaben zum Verständnis. Konnte man sie beantworten, dann hieß es "Blättere vor auf Seite XY!", konnte man sie nicht beantworten so hieß es "Blättere zurück zu Seite so-und-so!". - Selbst für den Religions-Unterricht gab es in der zweiten Hälfte der 1970er Jahr Bücher zum eigenständigen und individualisierten "Programmierten Lernen". - Diese Bücher sind nach einigen Jahren im Altpapier gelandet und sind heute ein Kapitel aus der Geschichte der Methodik und Didaktik. Am Rande: 


Die Rolle der Lehrkraft 
war die eines Beratenden, heute würde man sagen einer "LernbegleiterIn" oder "LernunterstützerIn" oder "Lernpartner". Eigentlich musste die Lehrkraft nicht unbedingt auch Pädagogin sein, eine fach-wissenschaftliche Bachelor-Ausbildung hätte vielleicht ausgereicht. - Allerdings gab es damals noch keinen Bachelor, zumindest nicht in Deutschland. 

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Die moderne Version des programmierten Unterrichts
ist das E-Learning oder auch gerne "Lernen 2.0" genannt. Statt mit Hilfe eines Buches lernen die Lernenden hier am Computer oder im Internet.


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Von Lernpaketen und Checklisten


Eine Zwischenstufe zwischen dem Programmierten Lernen der 1970er Jahre und dem E-Learning des 21. Jahrhunderts ist das Lernen mit Kompetenzrastern, Lernpakten und Checklisten, wie es besonders in der Schweiz gepflegt wird, z.B. im Alpen-Internat bzw. im Institut Beatenberg und in den Lernhäusern,  aber zunehmend auch im Süden Deutschlands. - 
Das Ziel ist stets das Gleiche: 
  • Die Lernenden sollen lernen, eigenständig zu lernen 
  • und können im eigenen Tempo 
  • und auf dem eigenen Leistungsniveau fortschreiten. 
  • Die LehrerInnen werden zu LernbegleiterInnen oder - vielleicht etwas zu euphemistisch? - LernpartnerInnen. 
  • In den Schulen wird nicht mehr gelehrt, sondern gelernt. 
So macht es auch nichts, wenn Klassen sehr heterogen zusammengesetzt, wenn so genannte "HauptschülerInnen" mit so genannten "GymnasiastInnen" zusammen in einer Schule oder einer Klasse oder einer "Lerngruppe" sitzen. Denn: Sie schreiten ja nicht im gleichen Takt und im gleichen Tempo voran, sondern jeder mit seiner Geschwindigkeit, unterstützt von Lehrpersonen, die jetzt nicht mehr frontal vor der Klasse stehen müssen und "lehren", sondern frei werden, um die Lernenden zu begleiten und unterstützen. - 
Im Idealfall
 - bei "kompetentem Umgang" mit dieser Heterogenität -  in der behinderte Kinder, sog. "SonderschülerInnen" (s. Stichwort "Inklusion") ggf. mit sog. "Gymnasiastinnen" in einer Lerngruppe sitzen, profitieren die schwachen von den starken und die starken von den schwachen Lernenden, indem sie sich gegenseitig unterstützen. - 
So werden aus LehrerInnen und SchülerInnen, guten und schlechten SchülerInnen gemeinsame LernpartnerInnen. -

So weit die Theorie.
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Anmerkungen zur Theorie

  • Die Theorie funktioniert nur dann, wenn die Lehrkräfte einer Schule an einem Strang ziehen
  • und wenn die Lehrkräfte gelernt haben, mit dieser Heterogenität kompetent umzugehen. (Manche private Schulen, wie z.B. die oben genannten in der Schweiz, versprechen, dass man das bei Ihnen lernen kann - wenn man genügend Geld mitbringt).
  • In Klassen, in denen individualisiert unterrichtet wurde, ist der Lernerfolg nicht unbedingt höher gewesen als im "normalen" Unterricht mit gemischten Unterrichtsformen - eher geringer. Man muss also einen oder mehrere andere Gründe nennen können, warum man es tut.  
  • Wenn es einem nicht gleichgültig ist, dass aus individualisiertem Lernen letztendlich der pure Individualismus heraus kommt,
  • und wenn man die Schulen nicht gleich ganz schließen will und den SchülerInnen rät, Fern-Kurse in "Fern-Schulen" zu belegen mit gelegentlichen Treffen und Prüfungen zwischendurch (so wie das ja beim Fern-Studium für Erwachsene schon lange angeboten wird) -
  • dann muss das individualisierte Lernen in diesen Schulen ergänzt werden durch Formen des gemeinsamen Lernens, des kooperativen Lernens, des Projektlernens usw.
  • Und was ist, wenn es in der Stadt keine Eltern gibt, die "heterogenen Umgang" für ihre Kinder anstreben? Die lieber möchten, dass ihre gut lernenden Kinder mit anderen gut lernenden Kinder gemeinsam in eine Klasse oder Schule gehen? (So wie das beim Volksbegehren in Hamburg der Fall war.)
  • Und wie halten wir es in Deutschland, wo die Kinder aus gut-bürgerlichen akademischen Elternhäusern (im Durchschnitt) von vorne-herein bessere Noten nach Hause bringen als Arbeiter-Kinder und Migrantenkinder, wie alle Studien der letzten 10 Jahre gezeigt haben, und wo zahlreiche Eltern möchten, dass ihre Kinder nicht mit den "Schmuddelkindern" in eine Klasse oder Schule gehen? 
 
 Zum Autor der beiden o.g. Bücher Herbert Gudjons
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 Kritik

  • Alle hier genannten Ansätze (Lernstraße, Programmiertes Lernen, Lernpakete, das Lernen 2.0) haben gemeinsam, dass sie nur von der Methodik her den Namen "Individualisiertes Lernen" verdient haben. 

Vom Inhalt her sind sie ebenso fremdgesteuert wie der Lehrkraft-zentrierte Frontalunterricht: Bei den modernen "Lernpaketen"  für den individualisierten Unterricht (s.o.) werden oft einfach nur  die Bildungspläne der drei Schularten umformuliert in Kompetenzen ("Ich kann....");  für diese Kompetenzen werden dann Lern-Pakete gepackt (das sind im Grunde genommen Aufgaben-Sammlungen auf unterschiedlichen Niveau-Stufen, z.B. Zusammenstellungen aus Mathematik-Büchern der verschiedenen Schularten), die die SchülerInnen dann eigenständig bzw. mit Hilfestellung der LernbegleiterInnen und LernunterstützerInnen bearbeiten sollen. -

  • Sehr auf den Punkt gebracht kann man sagen:
    Was die Lehrkraft zuvor versucht hat den SchülerInnen einzutrichtern, müssen sie sich nun selber eintrichtern: Der individualisierte Nürnberger Trichter.  Allerdings, das ist ein Fortschritt, jeder auf seinem Niveau und in seiner Geschwindigkeit. - Und am Schluss kommen dann wieder Haupt- und RealschülerInnen und AbiturientInnen dabei heraus - auch wenn vermutlich der Hauptschulabschluss anders benannt werden wird.

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  • Echtes Individualisiertes Lernen bedeutet viel mehr:

"Alle Schulen dienen zuerst und vor allem der individuellen Erziehung und Bildung, Unterrichtung und Qualifizierung aller schul- und ausbildungspflichtigen Kinder und Jugendlichen, orientiert an ihrem optimal erreichbaren Niveau. - Dabei liegt der Schwerpunkt gewiss nicht auf den aktuell zu erbringenden Leistungen in den einzelnen Fächern, sondern darauf, dass junge Leute Leistungsbereitschaft, Arbeitshaltungen und Durchhaltevermögen entwickeln, dass sie Anstrengungen nicht meiden und ein realistisches Selbstbild von ihrer Leistungsfähigkeit gewinnen.

Schulen finden ja nicht nur zu schulischen Zwecken statt, sondern sie sollen vor allem Schulen der werdenden Persönlichkeit sein; denn auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen muss bei der Bewältigung elementarer Entwicklungsaufgaben geholfen werden.

Solche Aufgaben sind: neue soziale Beziehungen jenseits der Familie – Freundschaften und Partnerschaften – auf- und umbauen, Umgang mit Sexualität lernen, mit den Anforderungen der Schule als Arbeitsplatz umgehen lernen, Ausbildungs- und Berufswahl klären, sich eines eigenen Lebensentwurfs zu vergewissern und anderes mehr. Schule also der werdenden Persönlichkeit, die für ihr Gedeihen auf Erfolg und Unterstützung angewiesen ist. [...]
Da Schülerinnen und Schüler nicht allen Erwartungen der Schule gerecht werden können, muss der demokratische Grundsatz gelten: Gleichheit bedeutet, dass Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Leicht und langsam lernende Schüler, vielseitig interessierte und noch sehr förderungsbedürftige müssen jeweils unterschiedliche Lern-, Arbeits-, Erfahrungs- und Bewährungsformen finden, die ihnen ihre jeweils optimalen Qualifikationen ermöglichen."
So Ulrich Herrmann, Jahrgang 1939, Pädagoge und Historiker, emeritierter Professor für Pädagogik und Honorarprofessor an der Universität Potsdam. Seine derzeitigen Schwerpunkte sind die Bildungspolitik, die Schulentwicklung und der Schulbau, die Jugendkulturen im 20. Jahrhundert sowie die Gehirnforschung und die Pädagogik. Er lebt und arbeitet in Tübingen. Den ganzen Aufsatz finden Sie hier.

Individualisiertes Lernen im nicht auf Methodik verkürzten Sinne 
findet dann statt, wenn es nicht Haupt-Ziel der Schule ist, die Bildungsstandards auf dem optimal erreichbaren Niveau zu erreichen, sondern die eigene Persönlichkeit auf dem optimal erreichbaren Niveau zu entfalten -  der zu werden, der man ist; ("Werde der du bist" formulierten es der Philosoph Nietzsche, der griechische Dichter Pindar und andere).
Dazu braucht es mehr als individuelles stilles Arbeiten an Lernpakten im Lern-Atelier (so schön das Atelier auch sein mag) -  es braucht unterschiedliche Lern-, Arbeits-, Erfahrungs- und Bewährungsformen. Und sicher auch die Persönlichkeit einer Lehrkraft, die Vorbild sein kann, für ihr Fach begeistern kann, Lern-Beziehungen zu den Lernenden eingehen kann.


Benjamin Bloom hat Hochleister aus unterschiedlichen Bereichen untersucht, um herauszufinden, ob sie etwas gemeinsam haben, das zu ihren hohen Leistungen geführt hat. -  Man hat im Grunde nichts gefunden, mit einer Ausnahme: 


Dass alle frühzeitig eine Person gefunden haben, die sich für sie selbst sehr engagierte, für ihren Lernfortschritt, für ihr Weiterkommen.
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Siehe auch: 

Teil I

Teil II

Freitag, 16. März 2012

Der individualisierte Nürnberger Trichter. - Teil II: Steven King, das Schönste am Lehrerberuf und die wichtigste Kompetenz

Es gibt Stunden und Tage in der Schule, da ist der rein individualisierte Unterricht fehl am Platze. Und zwar deshalb, weil sowohl den SchülerInnen als auch den LehrerInnen etwas entgeht. Das beschreibt Steven King in seinem Roman "Der Anschlag" (Heyne 2012):
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So kam es, 
dass ich im Schuljahr 1959/60 schließlich wieder ein bis zwei Tage in der Woche unterrichtete. Es war schön, wie­der in der Schule zu sein. Auch meine Schüler - die Jungen mit oben flachem Bürstenhaarschnitt, die Mädchen mit Pferdeschwanz und in wadenlangem Tellerrock - machten mir Spaß, obwohl mir peinlich bewusst war, dass alle Gesichter, die ich in verschiedenen Klassenzimmern sah, recht durchschnittlich waren. Diese Tage als »Springer« brachten mir eine neuerliche Selbsterkenntnis: 

Zwar gefiel mir das Schreiben, und ich hatte entdeckt, dass ich gut darin war, aber meine wahre Liebe war das Unterrichten. Es füllte mich auf eine Weise aus, die ich nicht erklären konnte. Oder er­klären wollte. Erklärungen waren oft billige Poesie.  

Mein bester Tag als Aushilfslehrer 
kam in der West Sarasota High, nachdem ich für eine Klasse, die ich in Amerikanischer Literatur unterrichtete, die Handlung von Der Fänger im Roggen zusammengefasst hatte (ein Buch, das natürlich nicht in der Schulbücherei stehen durfte und konfisziert worden wäre, wenn ein Schüler es in diese heiligen Hallen mitgebracht hätte). Im Anschluss hatte ich sie aufgefordert, über Holden Caulfields Haupt­klage zu diskutieren: dass die Schule, die Erwachsenen und das amerikanische Leben insgesamt verlogen seien. Die Kids kamen erst nur langsam in Schwung, aber als die Glocke schrillte, rede­ten alle durcheinander, und ein halbes Dutzend Schüler riskierte es, zu spät in den nächsten Unterricht zu kommen, nur um ab­schließend äußern zu können, was sie an der Gesellschaft, die sie um sich herum sahen, und dem Leben, das ihre Eltern für sie geplant hatten, als falsch empfanden. Ihre Augen glänzten, ihre Gesichter waren vor Aufregung gerötet. Zweifellos würde es in den hiesigen Buchhandlungen einen Ansturm auf ein bestimmtes dunkelrotes Taschenbuch geben. Als Letzter ging ein muskulö­ser junge, der einen Footballpullover trug. Er erinnerte mich an Moose Mason aus den Archie-Comics.

»Ich wollte, Sie wärn für immer hier, Mr. Amberson«, sagte er in seinem weichen Südstaatendialekt. »Sie find ich nämlich am allertollsten.«

Er fand mich nicht nur toll; er fand mich am allertollsten. Nichts war damit vergleichbar, ein solches Kompliment von einem Siebzehnjährigen zu hören, der aussah, als wäre er zum ersten Mal in seiner Schullaufbahn ganz und gar wach.

Im selben Monat  

noch rief mich der Direktor in sein Büro, bot mir zu ein paar Freundlichkeiten eine Coca- Cola an und fragte …. 


Fortsetzung im Buch auf Seite 363...
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  • Die wichtigste Kompetenz, die wir im Leben brauchen, ist die Beziehungsfähigkeit.
    Sie ist das Moment, auf dem Lernen aufbaut.
  • "Was das schönste am Lehrerberuf war?
    Den Augenblick zu erleben, in dem ein Junge oder Mädchen sein Talent entdeckte.

    Damit war nichts auf Erden zu vergleichen."
(Steven King in seinem neuen Roman "Der Anschlag", S. 407).

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Buchhinweis: Miller, Reinhold
Beziehungsdidaktik
Beltz 2011, 184 Seiten



Link zum 1. Teil des Posts: Der individualisierte Nürnberger Trichter. -  Teil I: Lernstraßen 
Und zum 3. Teil: Jeder hat sein Lernpaket zu tragen

Freitag, 9. März 2012

Der individualisierte Nürnberger Trichter. - Teil I: Lernstraßen

Wenn alles schläft
und einer spricht -
das nennt der Lehrer:
"Unterricht".


Mit dem Nürnberger Trichter wird eine mechanistische Weise des Lernens und Lehrens bezeichnet. Damit ist vor allem die Vorstellung verbunden, ein Schüler könne sich mit dieser Form von Didaktik Lerninhalte einerseits fast ohne Aufwand und Anstrengung aneignen und ein Lehrer andererseits auch dem „Dümmsten“ alles beibringen. [wikipedia]

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Erste Hilfe: Lernstraßen und "Frei"-Arbeit ...

... waren der erste Versuch, den Unterricht zu individualisieren, denn immer weniger Schüler (meistens männlichen Geschlechts) waren bereit zu schlafen, wenn die Lehrkraft sprach und/oder sich etwas einrichtern zu lassen. (siehe auch "7-G-Unterricht" in diesem Blog).  Zugleich waren Lernstraßen und sog. Frei-Arbeit auch  Erste-Hilfe-Maßnahmen der LehrerInnen gegen ihr eigenes Burn-Out: Statt eine pubertierende Klasse "bändigen" zu müssen, die weder schlief noch zuhörte, wurde ein großer Teil der LehrerInnen-Energie in das heimische Wohnzimmer der Lehrkräfte verlagert, wo dann im Kreise der Familie oder von KollegInnen Lernstraßen gebastelt, kopiert und foliert wurden und Materialien für die Freiarbeit am nächsten Tag in der Schule gesammelt und zusammen gestellt.

Das war ein gewisser Fortschritt: 
Die SchülerInnen mussten nicht im Gleichtakt arbeiten, sie konnten selber tätig werden und sich im Klassenzimmer bewegen, sie konnten die Reihenfolge der Stationen individuell auswählen, sie konnten meist ihre Ergebnisse selber auf die Richtigkeit überprüfen und ggf. die "Station" noch einmal durcharbeiten;  die LehrerInnen konnten ihre Stimmen und sich selber in der "Stunde" schonen und hatten evtl. auch weniger Korrekturen.

Die andere Seite:
"Frei" war diese Freiarbeit nicht wirklich. Die SchülerInnen konnten an den Stationen einer Lernstraße nur mehr oder weniger die Lern-Schritte nachvollziehen, die die LehrerInnen ihnen vorgegeben hatten. Das Material war in seiner Auswahl beschränkt, oft auch fertig von Verlagen gekauft, kreativ arbeiten war damit nur eingeschränkt möglich, das Niveau oft eher bescheiden... Von Konstuktivismus keine Spur.

Und: Der Trichter blieb. Es war der erste Schritt zur Individualisierung des Nürnberger Trichters. Denn die Lernstraße legte in enger Weise fest, welcher "Stoff" und mit welcher Methode den Lernenden eingetrichtert werden sollte. Nur: Sie mussten es sich selber eintrichtern. Die Lehrkraft konnte sich zurücknehmen, durchatmen, unterstützen...

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Der zweite Schritt der Individualisierung

Der individualisierte Unterricht definiert den Unterricht neu.
Individualisiertes Lernen oder Individualisierter Unterricht beschreiben die Berücksichtigung eines jeden einzelnen Individuums innerhalb einer Lerngruppe. Während bei der Differenzierung lediglich zwischen verschieden leistungsstarken Gruppen unterschieden wird (z. B. gute, mittlere, schwache), soll bei der Individualisierung jedes Individuum einzeln betrachtet werden, was u.A. die Einbeziehung der individuellen Persönlichkeit jedes Gruppenmitgliedes ermöglicht.
Ela Eckert (in: Hilbert Meyer: Was ist guter Unterricht?, S. 97) definiert wie folgt:

Freitag, 2. März 2012

„Dem Lernen Flügel verleihen!“ . - Wie bekommt man den Deutschen Schulpreis?

Der Deutsche Schulpreis 2012 – „Dem Lernen Flügel verleihen!“ - ist ein Wettbewerb, ausgeschrieben von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung in Kooperation mit stern und ARD. 

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Übrigens: 
Die neuen Gemeinschaftsschulen in BW -

Am 16. Januar 2012 veröffentlichte das Kultusministerium in BW eine Liste von 34 Schulen, die „sehr gute Aussichten haben, im Schuljahre 2012/2013 erste Gemeinschaftsschulen zu werden“.

Für die Bewertung des pädagogischen Konzepts einer Schule orientiert sich das Ministerium an den Kriterien, die jährlich für den Deutschen Schulpreis angelegt werden
zusammen mit drei weiteren Kriterien: 
  • Ganztagsbetreuung, 
  • Inklusion 
  • und aktive Elternarbeit.
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Wer bekommt den Preis? Die Kriterien:

"Grundlage des Wettbewerbs ist 

  • ein umfassendes Verständnis von Lernen und Leistung.
Über die bloße Wissensvermittlung hinaus gilt es, 
  • die individuellen, sozialen und schöpferischen Fähigkeiten auszubilden.
 Ziel ist:
  • die Förderung von Selbstständigkeit und verständnisintensivem Lernen,
  • Verantwortung und Leistungsbereitschaft.
 Das  verlangt 
  • die Auflösung starrer Unterrichtsformen 
  • und die Konzentration auf die individuelle Bildung und Entwicklung jedes Einzelnen.
Zu einem pädagogisch herausragenden Schulprofil gehört 
  • neben gutem Unterricht 
  • auch ein gutes Schulklima, 
  • eine alltagsprägende Schulkultur,
  • ein Gefühl der Zugehörigkeit und gegenseitiges Vertrauen.

Gute Schulen
zeichnen sich auch aus durch
 
  • eine führungsstarke, demokratische Organisation.
Der Preis würdigt beides, den Weg und die Ergebnisse exzellenter Schulen. Nicht der einmal erreichte Stand ist ausschlaggebend, betrachtet wird die gesamte Entwicklung einer Schule: ihr eigener Weg, die besonderen Voraussetzungen, Chancen und Schwierigkeiten und ebenso die weitere Entwicklungsplanung. 

Entscheidend ist deshalb nicht, ob eine Schule schon als Leuchtturm in der Bildungslandschaft bekannt ist. Angesprochen werden vielmehr gerade auch solche Schulen, die sich noch am Anfang eines Weges sehen und dabei
  • besonderes Engagement, 
  • innovative Methoden 
  • und qualitätswirksame Entwicklungsschritte
erkennen lassen." 
                                                                                                         Quelle

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Der "Blick über den Zaun"

Prof. Ulrich Herrmann greift die Gedanken auf, geht aber auch darüber hinaus. 


Prof. Herrmann (* 7. November 1939 in Velbert) ist ein deutscher Pädagoge und Historiker, emeritierter Professor für Pädagogik und Honorarprofessor an der Universität Potsdam. Seine derzeitigen Schwerpunkte sind die Bildungspolitik, die Schulentwicklung und der Schulbau, die Jugendkulturen im 20. Jahrhundert sowie die Gehirnforschung und die Pädagogik. Er lebt und arbeitet in Tübingen.Prof. Dr. Ulrich Herrmann, Tübingen.
Quelle: wikipedia

Schulen der Zukunft werden daraus nur, wenn sie die Kriterien des Deutschen Schulpreises der BOSCH-Stiftung erfüllen:
  • Leistungen müssen sich an den Ausgangslagen der Schüler bemessen;
  • produktiver Umgang mit Verschiedenheit; 
  • die Schüler sollen lernen, ihr Lernen selber in die Hand zu nehmen;
  • Förderung von Gemeinsinn und achtsamem Umgang miteinander; 
  • ein anregungsreiches Schulklima.
Es kann nicht verwundern, dass unter diesen Gesichtspunkten nur ausnahmsweise Gymnasien ausgezeichnet werden, was nichts über ihre Qualität aussagt, wohl aber über ihr pädagogisches Selbstverständnis. 

Und Schulen der Zukunft werden Schulen auch nur dann, wenn es ihnen gelingt, die Leistungsstandards der Kultusministerkonferenz dadurch umzusetzen, dass sie – wie die Schulen des reformpädagogischen Schulenverbunds „Blick über den Zaun“ – 
  • nicht nur darauf schauen, was durch Unterricht und Lernen „herauskommen“ soll, 
  • sondern was die Schule, das Kollegium, der einzelne Lehrer tun muss, damit jeder Schüler möglichst hochgesteckte Ziele auch tatsächlich erreicht.
Aus den schlichten Sätzen „Die Schüler können…“ folgt ja noch lange nicht, woher und wieso sie das Erwartete können und wann und wie sie es sich aneignen konnten.

Die vergleichende Leistungsmessung – um diesen Punkt abzuschließen – sagt ja bekanntlich nicht darüber aus, unter welchen förderlichen oder hemmenden Umständen die Leistung zu erbringen war. Und sie sagt erst recht nichts darüber aus, welche Kompetenzen hinter einer erwiesenen Leistung stehen."

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Der Reformpädagogische Ansatz
Dass Prof. Herrmann hier den reformpädagogischen Ansatz erwähnt, ist deshalb bemerkenswert, weil sich vielen AutorInnen nach dem Skandal in der Odenwaldschule, die ja zur deutschen reformpädagogischen Bewegung des 20 Jahrhunderts gehört oder gehörte, nicht mehr trauen, das Wort "Reformpädagogik" in den Mund zu nehmen. 

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