Donnerstag, 22. August 2013

Super-Inklusion, offene und inklusive Schule, open school, Schulen der Vielfalt und Schulen mit Courage

In NRW gab es 2012/13 5792 öffentliche Schulen und 495 private Ersatzschulen. Das Gros der öffentlichen Einrichtungen entfällt dabei auf Grundschulen (2978).
Weiterführende Schulen (ab Klasse 5):
Haupt- (568) und Realschulen (508), Gymnasien (513), Gesamtschulen (232), Gemeinschaftsschulen (12), macht zusammen 1833.
Dazu kommen noch 260 Berufskollegs, 606 Förderschulen, 29 Schule für Kranke. 
 
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2014 soll zumindest noch eine Schule dazu kommen,
 

die Inklusive Universitätsschule Köln in Köln-Ehrenfeld. 

Wissenschaftlicher Leiter ist Kersten Reich, Jg. 1948, Pädagoge und Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität zu Köln. Er begründete den Ansatz des Interaktionistischen Konstruktivismus und ist durch seine konstruktivistischen Theorien in den Bereichen Didaktik und Pädagogik bekannt.

Unter dem Motto „Eine Schule für alle“ soll jedes Kind individuelle Förderung bekommen. Einen AbiturientInnenanteil von 75 Prozent will der wissenschaftliche Leiter erreichen. Im Bundesschnitt liegt die Quote bei 30 Prozent.

Einig ist sich der Arbeitskreis der Universitäts-Schule bei vielen Themen: 
Noten und Sitzenbleiben wird es nicht geben. Alle bleiben von der ersten bis zur dreizehnten Klasse zusammen. 
„Wir wollen keine Selektierung. Das ist absurd.
Die Energie, Kosten und Mühen, die für das Aussortieren draufgehen, sind im gemeinsamen Unterrichten viel besser angelegt“, sagt Schulgründerin Silke Kargl. Eine Super-Inklusions-Schule soll es werden, und Inklusion soll nicht nur - wie gerade in BW - Inklusion von Behinderten in die Schule bedeuten.
"Inklusion beschränkt sich nicht auf Kinder mit Behinderung, sondern erfasst sämtliche Merkmale, die zu Ausgrenzung beitragen, von Geschlecht bis Religion", sagt Schulgründerin Kargl. 
(Quelle: taz vom 21.8.13)
Alles sollen offen sein und bunt gemischt. Selbst bei den Waschräumen sollen dereinst keine Unterschiede gemacht werden.
Das heißt unter Anderem:
Es soll Uni-Sex-Toiletten geben, Klos für Mädchen und Jungen. Kabinen mit Pissoirs oder Sitztoiletten sowie große Kabinen für Rollstuhlfahrer befinden sich im gleichen Raum.
„Uns ist die Geschlechterfrage wichtig“, sagte Dieter Asselhoven, wissenschaftlicher Mitarbeiter. „Die Kinder sollen sich frei für eine Geschlechterrolle entscheiden können.“
(Quelle: taz)
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Diesen erweiterten Inklusions-Begriff
vertreten auch die "Schulen der Vielfalt" in NRW


Schulministerin Sylvia Löhrmann hat im Oktober 2012 die Kooperationsverein­barung „Schule ohne Homophobie – Schule der Vielfalt“ unterzeichnet. 

"Ziel der Vereinbarung ist es, Diskriminierung aufgrund sexueller Orien­tierung im schulischen Alltag vorzubeugen und Vorurteile abzubauen. Dazu entwickeln die Kooperationspartner alters-entsprechende Unter­richtsmaterialien und führen gemeinsam mit den Schulen Projekte durch. -

Die Koordination erfolgt durch eine Lehrkraft, die bei der Bezirks­regierung Köln angesiedelt ist und vom Land gefördert wird. Sie steht den Schulen als Ansprechpartner zur Seite und bündelt die Aktivitäten mit dem Ziel einer möglichst breiten Umsetzung des Projekts. Zusätzlich stellt das Ministerium für Schule und Weiterbildung 20.000 Euro pro Jahr zur Verfügung." [Quelle


Die Zahl der ausgewiesenen "Projektschulen" in NRW bewegt sich noch im Promille-Bereich: 
6 der o.g. 1833 weiterführenden Schulen in NRW (= 3,2 Promille) sind ausgewiesene "Schulen der Vielfalt". 
  • Joseph-Beuys-Gesamtschule Düsseldorf, 
  • Gymnasium Rodenkirchen Köln, 
  • Wilhelm-Kraft-Gesamtschule Sprockhövel (die einige Schule in Westfalen, die anderen sind im Rheinland)
  • Gesamtschule Niederzier-Merzenich, 
  • Hauptschule im Schulzentrum Odenthal im Rheinisch-Bergischen Kreis. 
  • Siehe auch: Facebook _______________________________________________


Den erweiterten Inklusionsbegriff mit einem etwas anderen Akzent 
vertreten die "Schulen ohne Rassismus - Schule mit Courage". 


Was ist Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage?
 

"Wir sind ein Projekt von und für SchülerInnen. Es bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, in dem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden."  -

"Wir sind das größte Schulnetzwerk in Deutschland. Ihm gehören über 1270 Schulen an, die von rund einer Million SchülerInnen besucht werden" (Stand: Juli 2013). [...] 
"Wenn an meiner Schule Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder Handlungen ausgeübt werden, wende ich mich dagegen und setze mich dafür ein, dass wir in einer offenen Auseinandersetzung mit diesem Problem gemeinsam Wege finden, uns zukünftig einander zu achten.
Ich setze mich dafür ein, dass an meiner Schule ein Mal pro Jahr ein Projekt zum Thema Diskriminierungen durchgeführt wird, um langfristig gegen jegliche Form von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, vorzugehen."
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Die neue baden-württembergische grün-rote Landesregierung 

hatte sich vor 2 Jahren auf den Weg gemacht.
Die Vorsitzende der GEW-Baden Württemberg Doro Moritz schrieb am 7. Januar 2013 dem Kultusministerium ins Stammbuch:

Villa Reitzenstein, Amtssitz von Ministerpräsident Kretschmann, mit Regenbogen- und Landesfahne



"Es ist für die GEW von großer Bedeutung, dass die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele bezüglich der Themen Gender und sexuelle Identität im Bildungsbereich offensiv umgesetzt werden. 
Diese Hoffnung und auch Erwartung verbinden wir mit der grün-roten Landesregierung. Insbesondere die Formulierung im Koalitionsvertrag stärkt unsere Erwartungen:
»Wir werden baden-württembergische Schulen dazu anhalten, dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird. In einem landesweiten Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung wollen wir Konzepte entwickeln, um Vorurteile abzubauen und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt zu machen.«
Inklusion
Aus Sicht der GEW bedeutet Inklusion, dass es eine Schule für alle gibt und sich das System Schule an die Bedürfnisse und Lebenssituationen aller unterschiedlichen Kinder anpasst. 

Die GEW spricht sich gegen eine Reduktion des Inklusionsbegriffs auf körperliche oder geistige Befähigung aus, wie dies in der derzeitigen politischen Debatte geschieht in Anlehnung an die UN Behindertenrechtskonvention. 
Die GEW spricht sich dafür aus, den Begriff Inklusion in der ursprünglichen Bedeutung zu verwenden:
Inklusion bedeutet, dass alle Kinder einen gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen in der Bildung haben und dadurch ihre individuellen, vielfältigen Lern- und Lebensmöglichkeiten entfalten können.
Verschiedene Arten von Vielfalt müssen berücksichtigt werden und explizit benannt werden, so wie es auch das AGG formuliert:
»Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen« (AGG § 1). 
Die aktuelle Diskussion um Inklusion und die anstehende Änderung des Schulgesetzes machen es notwendig und möglich, einen umfassenden Begriff von Inklusion zu definieren."  

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Schaun wir mal... 
Entscheidend ist bekanntlich, was hinten rauskommen wird. 

Freitag, 9. August 2013

Darf ein Beamter seinen Schulleiter kritisieren? Oder: Regieren heißt berichtigen.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Schul-Reform in BW kommt es an vielen Schulen zu Turbulenzen.

Eine berühmte Turbulenz aus der jüngeren Geschichte der Schulreform in Deutschland ist die Geschichte von Enja Riegel und der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden.
Die Geschichte wird von Reinhard Kahl anschaulich beschrieben. Hier ein Ausschnitt:
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Hessen, Anfang der 1970er Jahre:

Anfang der 70er Jahre wurde eine neue Schulleiterin bestellt. Sie kam von einer Frankfurter Gesamtschule, hatte Elan und wollte alles anders machen. In ihrer Antrittsrede machte sie an der Schule den Staub von Jahrhunderten aus und kündigte an, den ganzen gymnasialen, pädagogische Müll und Schutt zu entsorgen. Diese Revolution von oben empörte einen Teil des Kollegiums und auch Eltern, bei denen das Misstrauen an Reformen wuchs, wollten sie vertreiben. -

Bei der nächsten Konferenz, ließ der mit einer Lehrerfraktion und dem stellvertretenden Schulleiter verbündete Elternrat einen Müllcontainer auf dem Hof vor den Fenstern des Lehrerzimmers abladen. Die Presse war bestellt. Es dauerte nicht lange, da gab die neue Leiterin auf. [...]

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Wie in den meisten Schulen hatten auch an der Helene-Lange-Schule große Worte über die Reform von Gesellschaft und Schule Konjunktur. Nur den Unterricht und den Alltag der Schüler erreichten diese Ideen nicht. In dieser Zeit wurden Lehrerzimmer überall zu Schlachtfeldern zwischen den Anhängern konservativer Bildung und den Emanzipationsideen der häufig in sich zerstrittenen neuen Linken. Die meisten Gräben, die Anfang der 70er Jahre ausgehoben wurden, blieben einen 30jährigen deutschen Bildungskrieg lang offen und häufig hinterließ der Kampf Wüsten. -

Entspannung versprach an der Hela (Helene-Lange-Schule) ein neuer Schulleiter, Hubert Ivo. Er schrieb an einer neuen Didaktik für den Deutschunterricht und wirkte an den umstrittenen Hessischen Rahmenrichtlinien mit. Er hatte Ideen, konnte begeistern, war aber häufig zu Vorträgen unterwegs. Schon nach 2 Jahren erhielt er den Ruf an eine Universität. - 


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Später kam ein neuer, der bald sehr beliebt war. Aber als ihm die Leitung des renommierten altsprachlichen Gymnasiums mit einer großen Oberstufe angeboten wurde, ging auch er. Das Kollegium fühlte sich von beiden, mit denen es sich voller Elan auf die Veränderung der Schule eingelassen hatte, versetzt und verletzt. Aber wer kümmert sich eigentlich um die Schüler und das ganze Wurzelwerk des Alltags? Dafür interessierte sich Enja Riegel immer mehr. [...]

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1982 ist Enja Riegel 42 Jahre alt. 
Sie hat 13 Jahre als Lehrerin in fast allen Schulformen und mit Schülern aller Altersgruppen gearbeitet. Inzwischen hat sie interessante Schulen in Deutschland und Frankreich besucht. Da ergibt es sich, dass sie im Amtsblatt von der Ausschreibung der Schulleiterstelle an der Helene-Lange-Schule liest. Enja Riegel kann nicht anders, als diese Anzeige als eine an sie gerichtete Aufforderung zu verstehen. Damit steht sie ziemlich allein. Der Schulrat versucht sie von der Bewerbung abzuhalten. In Gremien der Stadt Wiesbaden erinnert man sich an die rote Enja und spricht sich für den Konkurrenten aus, einen etwas älteren Lehrer aus dieser Schule und setzt Frau Riegel an die 2. Stelle. Minister Krollmann hört Gutes über die Bewerberin und lädt sie und ihren Mitbewerber zum Gespräch. Nach dem Gespräch entscheidet er sich und ruft seinen Freund, den Wiesbadener Schuldezernenten an. „Franz, nimmst Du sie?“ Der willigt widerwillig ein. Bis die hartnäckigen Einsprüche diverser Instanzen des Personalrats überwunden sind, vergeht mehr als ein Jahr. Dann wird diese von vielen weder als bürokratietauglich noch als führungsgeeignet angesehene Frau zur Schulleiterin ernannt. [...]
 

An ihrem ersten Tag als Direktorin der Helene-Lange-Schule sah Enja Riegel schwarz. Das Kollegium kam in Trauerkleidung. Ausnahmslos. Die Riegel sollte es nicht werden! Solchen Protest hatte es in einer Schule noch nicht gegeben. - In einem schmucklosen Raum, keine Blume, keine Musik, nichts, sitzt das Kollegium, alle in Schwarz und erwartet die neue Direktorin. Die einen lehnen sie ab, weil der Minister sie durchgesetzt hat. Manche haben sie als Rebellin in Erinnerung. Für andere passten die gegensätzlichen Vorbehalte ins Bild, dass die Frau wohl etwas verrückt sei. [...]

1986 wurde die Helene-Lange-Schule unter der Leitung von Enja Riegel in eine integrierte Gesamtschule mit reformpädagogischem Profil umgewandelt. Bereits 1987 wurde sie als UNESCO-Projektschule aufgenommen. [Fortsetzung hier]

Fast 20 Jahre später
bedankte sich das Kollegium zur Pensionierung ihrer Schulleiterin mit einem Fest, das eine deutsche Schule wohl noch nicht erlebt hat.
2003 ging die Schulleiterin Enja Riegel in Pension.
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Im Lande Lu um 500 v.Chr.


Lehr-Gespräche (=Analekten) des Konfuzius

In der Formel Regieren heißt berichtigen, brachte Konfuzius zwei im Chinesischen ver­wandte Begriffe in Zusammenhang. Es ist damit die Aufgabe des Herrschers, den vom Dao [rechten Weg] abweichenden Kurs der Gesellschaft zu korrigieren.

  • Wo eine Regierung nicht be­richtigt, mahnt der Konfuzianer den rechten Weg an - oder zieht sich zurück.
  • Er dient keinem Despoten oder unrechtmäßigen Re­genten. 
  • Den gegen das Interesse des Volkes Wirkenden entzieht er sich 
nach dem Beispiel des Konfuzius, der sein Land Lu verließ, als der Fürst Lustbarkeiten über Staatsgeschäfte stellte. - Der Meister, dem als Grundsatz galt, dass der Edle Armen hilft, aber nicht Reiche berei­chert, distanzierte sich von seinem Schüler Ran Qiu, der als Be­amter der Familie Ji, die wohlhabender als das Kaiserhaus war, de­ren Steuern eintrieb.

Das Mahnen zum rechten Weg, das sich im Staatsdienst wie in jeder menschlichen Beziehung im Widerspruch äußert, ist not­wendiges Kennzeichen konfuzianischer Loyalität.
  • Nie blieben ein Fürst ohne Diener, die ihm widersprechen, 
  • ein Vater ohne Sohn, der widerspricht, 
  • ein älterer ohne jüngeren Bruder, der widerspricht, 
  • ein Gebil­deter ohne Freund, der widerspricht, 
  • frei von Fehlern. 

So heißt es, 
  • was dem Fürsten entgeht, findet der Diener, 
  • was dem Vater entgeht findet der Sohn, 
  • was dem älteren Bruder ent­geht, findet der jüngere, 
  • was einem Mann entgeht, findet sein Freund.
  • So gefährdet nicht Untergang das Reich, 
  • nicht Verwirrung das Haus, 
  • unter Verwandten kommt kein Missverständnis auf, 
  • und Freundschaft zerbricht nicht.
Derart verstandene Kritik beweist Treue, indem sie den Ange­sprochenen vor Schaden bewahren will:

  • Ein Vater, dessen Sohn Wi­derspruch wagt, gerät nicht in Gefahr sittenlosen Handelns. 
  • Ein Gebildeter, dessen Freund Widerspruch wagt, tut kein Unrecht. 
  • Wie sollte es ein Zeichen der Ehrfurcht sein, folgt der Sohn unter allen Umständen dem Willen der Eltern?
  • Wie ein Zeichen von Treue, folgt der Beamte unter al­len Umständen dem Willen des Herrn. 

Nur wer beurteilen kann, wo er zu folgen hat, darf ehrfurchtsvoll und treu genannt werden.

Doch besitzt der Edle genug Umsicht, sein Leben nicht durch solche Mahnungen zu gefährden, die den Zorn eines Diktators er­regen und unbedacht verhallen. In einem Staat ohne Dao [rechten Weg] sollte man beherzt handeln, doch seine Worte zurückhalten. In jedem Fall zieht der Edle den Charakter eines Kritisierten in Betracht, wodurch er keinen Unmut provoziert und die Wahrscheinlichkeit steigert, dass sein Widerspruch Gehör findet.

Ein treuer Diener kann den Herrn auf fünferlei Art mahnen, 
  1. auf Umwegen, 
  2. durch unverblümte, 
  3. un­terwürfige, 
  4. direkte 
  5. oder ironische Mahnungen. 
Man muss in jedem Fall bei der Auswahl seinen Herrn berücksichtigen. 
Im Allgemeinen bin ich für ironische Mahnungen.
(Sprach Konfuzius = Meister Kong) 
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Hausaufgabe:

  • Wie stelle ich fest, ob mein Schulleiter auf dem Dao ist, auf dem rechten Weg?
  • Wie stelle ich fest, dass er auf dem Holzweg ist, auf dem vom rechten Weg abweichenden Pfad, so dass ich bei ihm den rechten Weg an-mahnen sollte (wozu ich mindestens fünferlei Art und Weisen zur Verfügung habe) - und mich dann zurückziehen muss, wenn ich keinen Erfolg habe?
Aus den Schul-Gesprächen (Lunyu) des Konfuzius
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Über Konfuzius sagt man: "Hätte man Konfuzius die Regierung - oder in diesem Falle eine Schul-Leitung - anvertraut, seine erste Maßnahme wäre das Berichtigen der Namen (zheng ming) gewesen". - Der erste Schritt eines erfolgreichen Regierens und Leitens besteht bei Konfuzius im Berichtigen der Namen. Der (gute, weise, edle) Herrscher muss sicherstellen,
dass der Herrscher der Herrscher,
der Diener Diener,
der Vater Vater,
der Sohn Sohn ist. -
Im übertragenen Sinne:
dass der Schulrat Schulrat ist,
der Schulleiter Schulleiter,
der Lehrer Lehrer,
der Schüler Schüler.
 
Was der Name "Herrscher" bedeutet, war bei Konfuzius durch die "edlen" Herrscher der Vergangenheit vorgegeben, die gewaltfrei regierten und durch ihr Vorbild inspirierten. "Ich liebe das Altertum und ergründe es ernsthaft." - Ein Tyrann auf dem Thron darf nicht "Herrscher" genannt werden, und seine Entmachtung kann gerechtfertigt oder sogar geboten sein. 
Vor dem Berichtigen der Namen steht also zunächst ein Klärungs-Prozess: Was sagt Herrscher-Sein, Bürger-Sein, Lehrer-Sein, Lernbegleiter-Sein, Schüler-Sein konkret aus? 

Der Meister reiste in eine Provinz, 
für deren Verwaltung Zilu seit drei Jahren verantwortlich war. Der Schüler Zigong, der den Wagen lenkte, wunderte sich, dass Konfuzius, lange bevor sie ankamen, wiederholt die effektive Amtsführung des Zilu lobte:
<Meister, Ihr habt Zilu noch nicht bei der Verwaltung gesehen und ihn schon dreimal gelobt. Darf ich seine Vortrefflichkeiten erfahren?>

Der Meister sprach: <Ich sah ihn beim Verwalten. Als ich sein Gebiet betrat, waren alle Felder gut gepflügt und sorgfältig von Unkraut befreit; alle Gräben und Rinnen waren in Ordnung. So sah ich, dass er durch Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit das Vertrauen der Leute gewann, denn sie gaben sich alle Mühe.
Seine Stadt betretend, sah ich, wie alle Mauern und Gebäude fest und solide waren und rings die Bäume üppig standen. Das zeigte, dass er treu und zuverlässig ist und dabei weitherzig, denn die Leute legten nichts auf bloßen Schein an.
Als ich vor sein Amtshaus kam, war alles ganz still und leer, und jeder Diener ging seiner Beschäftigung nach. Das zeigte, wie er mit Weisheit und Scharfblick Prozesse entschied, denn seine Verwaltung vollzog sich ohne Störung.
Von daher wird klar, dass ich nicht zu viel sagte, als ich ihn dreimal lobte. >
Der gute Regierende bedarf keiner oder weniger direkter Interventionen in konkrete Bereiche. Damit Befasste und darin Erfahrene tun alles ihnen nur Mögliche, wenn sie Achtung und Vertrauen zu ihm haben dürfen.
Shun, ein mythischer Herrscher der Vorzeit, regierte nicht aktiv, lobte Konfuzius. Er saß einfach aufrecht auf seinem Thron. Wer sich nur selbst beherrscht und bessert, vermag ohne Schwierigkeiten andere zu regieren. Er gleicht dem Polarstern, der an einem Ort ruht, während andere Sterne ihn umkreisen. ____________________

«Wie groß waren Shun und Yu, die über die Welt herrschten, ohne selbst etwas zu tun.» (Lunyu = Schul-Gespräche VIII, 18)
Idealporträt des mythischen Kaisers Yu, der ohne Befehle herrschte.

Donnerstag, 8. August 2013

Schüler, Lehrer, Vater, Sohn. Von Stärke und Macht in der Schule


Kapitel 1:

Neulich, in einem Lehrerzimmer, hörte ich, wie ein Oberstudienrat einem seiner Oberstufen-Schüler lautstark Vorwürfe machte, ihn anschnauzte, ihn "in den Senkel stellte", so richtig zur Schnecke machte...

Ich weiß nicht mehr genau, was der Schüler "verbrochen" hatte, vielleicht geschwänzt oder eine Aufgabe nicht pünktlich abgegeben. - Spontan dachte ich: "Wie kann ein Oberstufenschüler sich diesen Ton gefallen lassen?" Und erwartete, dass der Schüler sich den unverschämten Ton verbietet, im schlimmsten Fall, den Lehrer ebenfalls anschreit. - Doch nichts geschah. Der Schüler blieb gefasst, senkte seinen Kopf, verließ das Lehrerzimmer schweigend.

Kurz danach hörte man draußen vor der Tür des Lehrerzimmers auf dem Flur, in dem sich auch die Schulverwaltung befindet, ein kurzes lautes Getöse: Der gerade in den Senkel gestellt Schüler hatte seine unterdrückte Wut an einem Stuhl oder einem Regal ausgelassen und ein paar Mal fest dagegen getreten. - Der Lärm ließ die Schulleitung und andere Lehrkräfte aus ihren Zimmern stürzen, der Schüler wurde erneut beschimpft: Was ihm eigentlich einfiele, die Möbel zu beschädigen, das werde Konsequenzen haben... 

Schwarze Pädagogik im 21. Jahrhundert?

Kapitel 2: 

Das «Kongzijiayu» berichtet einen Fall aus der angeblichen Tätigkeit des "Lehr-Meisters Kong" (= Konfuzius) als Rechtspfleger im Lande Lu:
Ein Vater zeigte seinen Sohn an und wurde seinerseits von diesem verklagt. Konfuzius sperrte beide ein und ließ sie erst frei, als der Vater nach drei Monaten Haft seine Anzeige zurückgezogen hatte.

Das Haupt des Hauses Ji kritisierte Konfuzius:
«Dieser Ober­richter hält mich zum Be­sten: Erst sagt er mir, das Wichtigste in Staat und Familie sei die kindliche Ehrfurcht. Nun bot sich Gelegenheit, durch Hin­richtung eines einzigen unehrerbietigen Sohnes dem Volk Ehrfurcht zu lehren. Stattdessen lässt er ihn laufen. Was soll das nur heißen!»
Konfuzius hielt ihm entgegen, dass man nicht den Unteren be­strafen darf, wenn der Obere versäumte, Vorbild zu sein und angemessene Führung zu geben.
Wurde die Armee besiegt, kann man nicht den einzelnen Soldaten zur Rechenschaft ziehen.
Treten im Staat Missstände auf, liegt die Verantwortung zuerst bei der Regierung, nicht beim Volk.
Herrschende dürfen ihren Bürgern keine Strafen auferlegen, wenn sie diese durch übermäßige Forde­rungen zu Fehltritten verleiten, zureichende Belehrung versäumen und nicht vor die Strafe die Warnung stellen.
Siehe auch: Den Namen der Dinge ändern. Konfuzius 


Kapitel 3

Kapitel 3 schreibt sich eigentlich von selber, indem man die Geschichte über Konfuzius mit der aus dem Lehrerzimmer konfrontiert.

Es gibt auch verschiedene Ansätze für die Schule, die von Konfuzius wahrscheinlich überhaupt nicht direkt beeinflusst sind, aber 2500 Jahre nach ihm ganz ähnliche Gedanken vertreten und eine ähnliche Praxis anwenden. 

Da sind z.B. Haim Omer und Arist von Schlippe zu nennen, die ihren Ansatz in den dem neuen Buch "Stärke statt Macht" schildern:
 
"Die Erschütterung der erzieherischen Autorität gilt als eine der Hauptursachen für den dramatischen Anstieg von Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Hier setzen Haim Omer und Arist von Schlippe mit ihrem Begriff der »neuen Autorität« an und entwickeln ein Konzept, das in Familie, Schule und sozialem Umfeld gleichermaßen Anwendung finden kann. Anhand von zahlreichen Fallbeispielen erläutern sie dabei, wie elterliche und pädagogische Autorität auf Anerkennung, echter Stärke und Respekt gründet." (Klappentext)

Der Israeli Haim Omer hat sich sehr mit Mahatma Gandhi beschäftigt und wollte herausfinden, wie man mit Gewalt-Situationen in Familie, Schule und Öffentlichkeit begegnen kann, wie man Gewalt begrenzen kann, ohne selber gewaltsam zu werden. 

Der o.g. Lehrer aus Kapitel 1 probiert es mit der "alten Autorität" (den Schüler anschreien, vor den anderen LehrerInnen demütigen, Vorwürfe machen). Ins andere Extrem würde ein laissez-faire-Lehrer verfallen, der die Augen zumacht, nicht hinschaut. 
Dem wollte Omer etwas Drittes entgegensetzen, das er nun "neue Autorität" nennt oder "Stärke" (statt "Macht") oder "Widerstand" statt Strafen. 



Der Ansatz von Omer und Schlippe verträgt sich hervorragend mit anderen älteren pädagogischen Ansätzen, z.B. der "Lehrer-Schüler-Konferenz" des Carl Rogers-Schülers Thomas Gordon
oder mit dem so genannten Trainings-Raum-Modell nach dem US-Amerikaner Edward E. Ford.

 

Die verschiedenen Ansätze entspringen dem gleichen westlich-humanistischen Geist, ergänzen und befruchten sich gegenseitig. Auch die Asiaten Konfuzius und Mahatma Gandhi hätten sicher Freude daran oder Sympathien dafür. - 
Jedoch wohl kaum für die "schwarze Pädagogik" aus dem 1. Kapitel oben in diesem Post. 



Siehe auch: 
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Dienstag, 6. August 2013

Von Bert Hellinger, Konfuzius, Lernbegleitern und dem Namen der Dinge

Sie haben vielleicht von den Familien-Aufstellungen von Bert Hellinger gehört. Und vielleicht sind Sie davon begeistert, und ganz vielleicht haben Sie sich dann sogar für 10 Euro ein Poster bestellt, das wahlweise in deutsch, englisch, spanisch, italienisch und russisch erhältlich ist.


Bei Hellinger geht es viel um "Ordnung".
 "Vielerlei Unglück oder Scheitern, zum Beispiel in zwischenmenschlichen Beziehungen oder im Beruf begründet sich durch Verstöße gegen die wichtigsten Lebensordnungen. Wenn wir nun diese „Lebensordnungen“ kennen, können wir sie auf bewusste Weise in unser tägliches Leben einbeziehen und uns ihnen gemäß verhalten." [...]

Diese Ordnung, so Hellinger a.a.O., 
"verlangt, dass jeder von uns in seiner Familie den ihm bestimmten Platz einnimmt, der nur ihm zukommt. Diese Rangordnung ist eine hierarchische Ordnung. Das heißt, in ihr gibt es einige, die höher stehen und von daher zuerst kommen, und andere, die unter ihnen stehen und nach ihnen kommen. Was bestimmt diese Rangordnung? Die Zeit der Zugehörigkeit. Wer früher ein Mitglied der Familie war, hat Vorrang vor denen, die nach ihm kamen. Jene Macht, die alles in Leben ruft, hat ihn vor denen, die nach ihm kommen, ins Leben gerufen. Auf diese Weise kommen die Eltern vor ihren Kindern, das erstgeborene Kind kommt vor dem zweiten, und so weiter. Das heißt, wenn sich ein später Dazugekommener über jemanden erhebt, der vor ihm da war, verstößt er gegen diese Rangordnung. Jeder in der Familie hat seinen eigenen ihm zustehenden Platz." [...]
"Diese Rangordnung gilt für alle Organisationen. Von daher steht der Erzieher im Rang über dem Schüler und stehen die Eltern im Rang über dem Erzieher. Zugleich dienen jene, die früher da waren, denen, die nach ihnen kommen. So dienen die Eltern den Lehrern und unterstützen sie, und beide, Eltern und die Lehrer, dienen den Kindern." 
Es gibt diese berühmte Geschichte, in der in einer Familienaufstellung bei Hellinger eine Frau berichtet, dass sie von ihrem Vater missbraucht worden sei. Hellingers "Ordnung der Liebe" sagte dazu: "Wenn sich ein später Dazugekommener über jemanden erhebt, der vor ihm da war, verstößt er gegen diese Rangordnung. Jeder in der Familie hat seinen eigenen ihm zustehenden Platz." Wenn die Tochter nun ihren Vater des Missbrauchs anklagen würde, sich damit über den Vater erheben, so verstößt sie gegen die "Ordnung der Liebe", von der die Rangordnung in der Familie ein Teil ist. Die Tochter tut es aus Liebe zum Vater, daher ist der Missbrauch kein Missbrauch, sondern Teil der "Ordnung der Liebe".



Damit sind wir beim "Namen der Dinge":


Was der Vater mit der Tochter tat: Ein Akt des Missbrauchs oder ein Akt der Liebe? Derselbe Akt des Vaters kann mit unterschiedlichen Namen belegt werden. George Orwell nannte das in seinem Roman "1984" "newspeak", Neu-Sprech, Neu-Sprache: 
Ein herrschendes Regime verändert die Bedeutung der Wörter, um damit das Denken der Bevölkerung in neue Bahnen zu lenken, in Orwells Roman mit dem Ziel, die Bevölkerung so zu manipulieren, dass sie nicht einmal an Aufstand denken kann, weil ihr die Worte dazu fehlen. Das Kriegsministerium hieß "Ministerium für Frieden", das Propaganda-Ministerium "Ministerium für Wahrheit" [wikipedia] 
In Hellingers newspeak wird das Erdulden des sexuelles Missbrauch durch den eigenen Vater zu einem Akt der Liebe des Kindes zum Vater. - Na prima.


  • Kann man in der Schule dieselbe Person mal als Lehrerin mal als Lernbegleiterin bezeichnen? Was ist newspeak? Was ist der richtige Name der Dinge?  Und bei Konfuzius:

 Und bei Konfuzius:


Über Konfuzius sagt man: "Hätte man Konfuzius die Regierung anvertraut, seine erste Maßnahme wäre das Berichtigen der Namen (zheng ming) gewesen". - Der erste Schritt eines erfolgreichen Regierens besteht bei Konfuzius im Berichtigen der Namen. So wie in Orwells Roman? So wie bei Hellinger? Man könnte es meinen, denn auch bei Konfuzius spielt die richtige Ordnung eine wichtige Rolle: "Li", die Riten, tradierte Formen und Normen des Altertums. Der (gute, weise, edle) Fürst muss sicherstellen,
dass der Herrscher der Herrscher,
der Diener Diener,
der Vater Vater,
der Sohn Sohn ist.
Was der Name "Herrscher" bedeutet, war bei Konfuzius durch die "edlen" Herrscher der Vergangenheit vorgegeben, die gewaltfrei regierten und durch ihr Vorbild inspirierten. "Ich liebe das Altertum und ergründe es ernsthaft." - Ein Tyrann auf dem Thron darf nicht "Herrscher" genannt werden, und seine Entmachtung kann gerechtfertigt oder sogar geboten sein. 
Vor dem Berichtigen der Namen steht also zunächst ein Klärungs-Prozess: Was sagt Herrscher-Sein, Vater-Sein, Bürger-Sein Lehrer-Sein, Lernbegleiter-Sein konkret aus? 

Siehe auch: 


Konfuzius, "Lehrer der Werte", wollte nie "Lehrer" genannt werden. Er lebte im 6. Jahrhundert v.Chr. im Lande Lu in China und war damit (mehr oder weniger) Zeitgenosse von Buddha in Indien, Sokrates in Griechenland und Nebukadnezar in Babylonien, der dort die Israeliten in "Babylonischer Gefangenschaft" hielt. 

Nichts Genaues weiß man über seine Schule. Konfuzius wurde es nie müde zu lehren, sagt man, dennoch beunru­higte es ihn, wenn dies als seine Berufung gesehen wurde.
Er soll 3000 Schüler gehabt haben, die meisten zwischen 30 und 50 Jahre alt, 72 von ihnen, von denen er sich besonders verstanden fühlte, sind namentlich bekannt, z.B. Yan Hui, der 30 Jahre jünger war als Konfuzius und als sein begabtester Schüler galt. Mit ihm und anderen wanderte er auch 13 Jahre im Exil durch die Nachbarländern Wei und Chen, bis er nach Lu zurück kehrte, wo er im Alter von 72 Jahren starb.


Siehe auch:

Samstag, 3. August 2013

Grün-Rot ist in BW bei der Gemeinschaftsschule einen riskanten Sonderweg gegangen ...

... sagt der Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein.
Das ganze Interview nebst Foto findet man hier.
Ulrich Trautwein ist Professor für Empirische Bildungsforschung. 
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Als empirischer Forscher stellt er fest:

  • Der Bildungserfolg ist immer noch stark abhängig vom sozialen Status der Eltern. 
  • Die Debatten im Land werden sehr ideologisch geführt - von der Regierung und der Opposition. Das tut der Qualität von Schule selten gut.
  • Es gibt bundesweit den Trend zur Zweigliedrigkeit. Man hat also noch das Gymnasium und daneben eine zweite Schulart wie die Gemeinschaftsschule.
  • Es spricht nichts dagegen, die Zahl der Schularten zu reduzieren. Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine Dreigliedrigkeit besser funktioniert als eine Zweigliedrigkeit. Es kommt auf die konkrete Ausgestaltung an. 
  • In Baden-Württemberg wurde die Gemeinschaftsschule als zusätzliche Schulart eingeführt - sie ersetzt nicht bestehende Real-, Haupt- und Werkrealschulen, jedenfalls nicht sofort.
  • Die derzeitige Vielzahl an Schulformen, Schulversuchen und Ausnahmen wird dann kontraproduktiv, wenn sie vom Wichtigsten ablenkt: der Verbesserung der Unterrichtsqualität.
  • Man sollte die Bedeutung der Schulstruktur nicht überschätzen.
  • Es gibt kaum Belege dafür, dass das Sitzenbleiben den Sitzenbleibern etwas nutzt. Die Schüler haben oft auch in der neuen Klasse Probleme. Eine generelle Abschaffung wäre sicher ein Fehler.
  • Bisher war es so: Wer versuchte, das Gymnasium abzuschaffen, wurde abgewählt. Das dürfte auch in absehbarer Zukunft so bleiben.
  • Man kann ein gutes G 8 machen und ein gutes G 9. Man kann auch beides schlecht machen. Man sollte sich klar darüber werden, was man will. ______________________________________________

Kritisch sieht er die folgenden Punkte:

 1. 
"Bei der Einführung der Gemeinschaftsschule hat das Kultusministerium Entscheidungen getroffen, die mich überrascht haben", sagt Trautwein. 
  • "Wenn die Gemeinschaftsschule zur zweiten Säule neben dem Gymnasium werden soll, muss sie viele Schüler binden und hohe Anerkennung bei Lehrkräften und Eltern erfahren."

In Baden-Württemberg wurde die Gemeinschaftsschule als zusätzliche Schulart eingeführt. - Wenn man aber eine starke Gemeinschaftsschule haben möchte, muss man den Zugang zum Gymnasium eher restriktiv handhaben, statt die Schleusen - durch den Wegfall der verpflichtenden Übertritts-Empfehlung nach Klasse 4 - zu öffnen. 
  • "Derzeit läuft die Gemeinschaftsschule Gefahr, eine weitere Hauptschule zu werden, was ihre Schülerklientel angeht."

Sein Kollege Thorsten Bohl, (ebenfalls empirisch forschend, jedoch bei den Schul-PädagogInnen und nicht bei den Schul-PsychologInnen), ergänzt:
Um zu verhindern, dass die Gemeinschaftsschulen (GMS) die neue Hauptschule werden, sollten etwa 1/4 der SchülerInnen jeder Klasse einer GMS eine Gymnasial-Empfehlung besitzen. Siehe auch seine "Expertise Gemeinschaftsschule".
2.  
  • "Man hat anfangs die Gemeinschaftsschule stark an eine bestimmte Unterrichtsphilosophie gekoppelt, an die nicht alle glauben: die sehr starke Betonung des selbstverantwortlichen Lernens, bei dem Lehrer zu "Lernbegleitern" werden. Die meisten Länder mit Gemeinschaftsschulen verzichten darauf, allen Schulen eine solche Lehrphilosophie überzustülpen."
  • Eine starke Fixierung auf eine Methode hat sich bislang noch immer als Irrweg erwiesen. Für guten Unterricht kommt es darauf an, dass er anregend und gut strukturiert ist, sodass sich Schüler aktiv denkend möglichst lange und intensiv mit dem Stoff beschäftigen. Ein klug gewählter Methoden-Mix hat sich dabei als förderlich erwiesen - ein enges Korsett eher nicht."
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Siehe auch:

Im Übrigen gilt wohl auch:

Quelle: taz












Freitag, 2. August 2013

Konfuzius: Lehrer oder Lernbegleiter? Vom inbrünstigen Drang nach Lernen.


"Der eine bedient sich seiner Bildung und Klugheit, um das Richtige herauszufinden, während der Andere nur aus Berechnung handelt."

  • Konfuzius nennt den ersteren den „Edlen“,
  • den anderen den „Gemeinen“.   
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Ebenso wie Konfuzius keinen einzelne Person als ständigen Lehrer anerkannte, wollte er nicht, dass andere ihn zu dieser Position erhoben, ganz gleich, wie ernsthaft sie ihn darum ba­ten oder wie geschmeichelt er sich von ihren Bitten fühlte.
 

Er war zudem der Ansicht, ein Lehrer könne nur auf eine Ecke eines Quadrats hinweisen, alles übrige hing von den Schülern ab: 
»Wenn ich einem Schüler eine Ecke zeige, und er kann es nicht auf die drei anderen übertragen, werde ich nicht wieder­holen, was ich getan habe.« (VII,8)
Für Konfuzius hängt die Ausbildung von dem Menschen ab, der lernen will. 
Ein Leh­rer kann nicht für den Schüler lernen. Ein Mensch muss selbst so stark nach Wissen streben, dass er sich auf die Suche nach einem Lehrer macht.
 

Die jun­gen Männer, die um seine Unterweisung baten, ohne dass sie einen inbrünstigen Drang zum Lernen empfanden, konnten Konfuzius nicht für sich gewinnen. Er sagt, dass er diesen Schülern keine »Nachhilfe« und keinen »Anstoß« gab, falls sie scheiterten. Wenn sie »die Verzweiflung beim Versuch, eine schwierige Frage zu lösen« oder das »Ringen um den rich­tigen Ausdruck einer Idee« nicht kannten (VII,8), waren sie keine echten Sucher.
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Konfuzius wurde es nie müde zu lehren.
Dennoch beunru­higte es ihn, wenn dies als seine Berufung gesehen wurde.

Er mochte Lehrer, 

  • doch die meisten von ihnen waren 
  • Bogen­schützen, 
  • Musikanten 
  • oder Klangstein-Spieler - 
Männer, de­ren Leben nicht von ihrer Kunst zu trennen waren. Konfuzius empfand große Achtung vor ihnen.
Kein Handwerker hätte sich jemals angemaßt, sich als Lehrer, als shi, zu bezeichnen, ehe jemand ihn gebeten hatte, ihn seine Kunst zu lehren.
Ein Lehrer war ein Meister. 
Er musste in et­was bewandert sein - 
  • Musik, 
  • Trommeln, 
  • Bogenschießen, 
  • Wa­genlenken. 
Diese Auffassung teilte Konfuzius mit seinen Zeit­genossen.
  • Man hätte jeden, der sich als Lehrer anpries, ohne über eine bestimmte Fähigkeit zu gebieten, mit Argwohn be­trachtet.
Auch aus diesem Grund nahm Konfuzius den Titel Lehrer erst im fortgeschrittenen Alter an, nachdem man in Lu beschlossen hatte, nach ihm zu schicken, weil sein Wissen der Regierung von Nutzen sein konnte.

Dennoch glaubte er nicht, dass er dies zu einem Beruf machen konnte oder sollte. Die Ironie liegt darin, dass er in den Augen anderer genau das tat, was er selbst nicht für möglich oder passend hielt:  

Er wur­de Lehrer.
Er selbst empfand sich stets als Lernenden.
»Auch wenn ich in Gesellschaft zweier Männer gehe, finde ich [in ihnen] sicher meine Lehrer. Ich eifere ihren guten Seiten nach; ihre schlech­ten Seiten versuche ich an mir selbst zu verbessern.« 
Auf die Frage, bei wem Konfuzius gelernt habe, antwortete er, es gebe wohl niemanden, von dem er nicht lerne. 


Gespräche des Konfuzius
klassisches Chinesisch, modernes Chinesisch
und englische Übersetzung.
Quelle
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Vom Unterrichten

  • Sooft Konfuzius in der ersten Person vom Unterrichten sprach - »Ich lehre, ohne zu ermüden«- benutzte er das Wort hui. Er hätte auch xun verwenden können. Beides bedeutet »lehren«. 
  • Ein Wörterbuch aus dem ersten Jahrhundert defi­niert hui und xun auf folgende Weise: hui heißt »lehren, indem man Licht in einen Sachverhalt bringt« oder »Licht auf etwas wirft« (xiaojiao); 
  • xun heißt »lehren, indem man Lehrstunde oder einen Vortrag hält.
  • Da das Wort xun in den "Ge­sprächen" nicht auftritt, könnte es sein, dass Konfuzius langen Abhandlungen oder Vorlesungen vor Publikum abgeneigt war. 
  • Neben hui und xun existiert noch jiao, ein allgemeineres Wort für »lehren«. 
  • Das gleiche Wörterbuch erklärt jiao mit »unterweisen«, aber nur in dem Sinne, dass ein Untergebener dem Beispiel eines ihm Vorangestellten nacheifert. 
Konfu­zius verwendet es entsprechend.
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Der beste Schüler. Von Zhizang.
Der beste Schüler war einer, der seinem Lehrer kraft seines eigenen Urteils widersprechen konnte, wenn er anderer Ansicht war.
Es ist der ausdrückliche Wunsch eines guten Lehrers, dass sein Schüler sich von ihm löst, wenn er ihm nichts mehr beibringen kann.

Bejubelt als bekanntester chinesischer Denker,
verkörpert Konfuzius den Geist des lebenslangen Lernens.
Kein Wunder, dass das Lunyu als Basis Lehrbuch
der konfuzianischen und chinesischen Erziehung
für 2000 Jahre diente.

Besonders intelligent und vielversprechend war Zizhang, 

einer von Konfuzius' jüngeren Schülern. Er stellte schwierige Fragen:
  • Was ist »geistige Klarheit«?
  • Was ist »getrübte Urteilskraft«?
  • Wann konnte man sagen, ein Gebildeter besitze »die Eignung eines Edlen«?
  • Und was ist der Unterschied zwischen einem solchen Mann und einem, der auf Berühmtheit aus ist?
Zizhang fragt auch nach den Anzeichen für Sittlichkeit; wie man in der Welt vorankomme; wie man eine Beamtenlaufbahn verfolge und welche moralischen Voraussetzungen man benötige, um der Regierung zu dienen. Zizhangs Interessen waren vielseitig, und er bohrte gern nach, was ihn für Konfuzius zu einem idealen Gesprächspartner machte - zu einem »guten Wetzstein«.
  • Zizhang fragte:»Was ist geistige Klarheit?«
  • Zizhang fragte: »Ist es möglich, zehn Generationen nach uns zu kennen?«
  • Zizhang fragte: »Wie würdet Ihr einen guten und anständigen Mann anhand des Pfades beschreiben, dem er folgt?«
  • Zizhang fragte: »Wie muss ein Gebildeter sein, bevor man sagen kann, er besitzt in allem, was er tut, die Eignung eines Edlen?«
  • Zizhang fragte: »Wie kann man seine Tugend erhöhen, und wie weiß man, dass die eigene Urteilskraft getrübt ist?«
Zizhang übte eine besondere Anziehungskraft auf die Leser der „Gespräche“ aus. 
  • Sein Interesse galt den verwegensten und schwierigsten moralischen Fragen, doch hegte er auch ganz offen Eigeninteressen. 
  • Zizhang war nicht nur selbstversonnen, sondern ließ seinen Lehrer auch ganz ungeniert wissen, dass er in der Welt voranzukommen und sich ein Gehalt zu sichern beabsichtige.
Konfuzius gewährt Zizhang eine Vorzugsbehandlung. 

Zizhang war auch »wild beherzt« (kuang) und »großartig in seinem Auftreten«
eine Eigenschaft, die Konfuzius an sich nicht billigen durfte, zu der er sich aber dennoch hingezogen fühlte, weil sie glänzende Fähigkeiten verhieß. 
Zizhang enttäuschte seinen Lehrer nicht. Er war gescheit und wortgewandt und besaß einem Mitschüler zufolge auch eine »großartige Ausstrahlung«. Ein anderer Mitschüler bemerkte hingegen: »Obwohl es schwer ist, Zizhang nachzueifern, hat er noch nicht seine moralische Fähigkeiten (ren) erreicht.«

Zuerst vergewissert Konfuzius sich, was Zizhang unter der »Eignung eines Edlen« versteht. 
Seiner Ansicht nach ist das, was Zizhang beschreibt, Glätte und Bereitwilligkeit sowie äußerer Schein. Diese Eigenschaften bewirken nicht die Leichtigkeit, mit der ein Mann von der »Eignung eines Edlen« seine Aufgaben wahrnimmt. 

Für einen intelligenten Mann wie Zizhang ist es nicht schwierig, die Fähigkeiten eines aalglatten Schmeichlers zu erwerben, aber die Eignung zum Edlen ist etwas ganz anderes. Um diese Kunst zu meistern, sagt Konfuzius, muss ein Mensch an das Prinzip der Gerechtigkeit gebunden sein, er muss sich so sehr danach sehnen, dass er sie in all seinem Tun erstrebt. Zugleich muss er sich bewusst sein, wie andere auf ihn reagieren, damit er sie mit seiner Überzeugung, das Beste für sie zu tun, nicht beleidigt.

Aus den Gesprächen erfahren wir, dass Zizhang »sich auf den Gürtel schrieb«, was sein Lehrer ihm sagte. Offenbar sollten dessen Worte ihn zügeln, wenn er über die Stränge schlug.
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Aber nur »ein Mensch, der sich jeden Tag etwas aneignet, das ihm fehlt, und sich nach einem Monat noch daran erinnert, was es war«, kann als gelehrt gelten.
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Wikipedia sagt: