Montag, 30. September 2013

Die neuen Bildungspläne 2015 und der Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung in BW

Villa Reitzenstein, Amtssitz des Ministerpräsidenten Kretschmann, mit Regenbogen-Fahne anlässlich des Empfangs für die gay and lesbian community am 28.6.2012. Der Regenbogen ist ein Symbol für Vielfalt und seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein internationales schwul-lesbisches Symbol.

Mitte September 2013 gab das Landes-Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg eine Presse-Erklärung heraus, in der es die mangelhafte bis ungenügende Umsetzung der im Koalitionsvertrag versprochenen und vereinbarten Reformen beklagt. In manchen Bereichen der Bildungspolitik ging es in den letzen beiden Jahren zu hastig zu, manch ein Kopf, inklusive der der Ministerin, rollte deshalb im Kultusministerium. - Im Punkt Toleranz und Gleichstellung erfolgte im Bildungs-Bereich allerdings noch fast nichts.

»Wir werden baden-württembergische Schulen dazu anhalten, dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird. In einem landesweiten Aktionsplan für Toleranz und Gleichstellung wollen wir Konzepte entwickeln, um Vorurteile abzubauen und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt zu machen.« - So heißt es im Koalitionsvertrag. 
Lesen Sie hier die Kabinetts-Vorlage (pdf) 

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Das Netzwerk schreibt in seiner Presserklärung zum neuen Schuljahr 2013/14 über den Stand der Dinge u.a.:

»Im Ringen um mehr Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und die Vielfalt von Geschlecht ist insbesondere eine aufgeklärte, tolerante Jugend ein elementarer Schlüsselfaktor.
Daher wirkt das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg – ein Zusammenschluss von über 60 Organisationen im Land - seit Monaten darauf hin, dass in den neuen Bildungsplänen umfassende Aufklärungskonzepte für Toleranz und gegen Homo- sowie Transphobie verbindlich verankert werden:

  • Sexuelle Identitäten und geschlechtliche Vielfalt müssen dabei explizit genannt und als gelebte Realitäten in der Gesellschaft verpflichtend über alle Altersklassen und Bildungseinrichtungen hinweg behandelt werden.
  • Dies hat fächerübergreifend zu erfolgen – von Gemeinschaftskunde und Geschichte über Biologie bis hin zu Deutsch etc.
  • Auch die Aus- und Weiterbildung sowie Sensibilisierung von Lehrerinnen und Lehrern ist hierbei ein entscheidender Punkt.
  • Ebenso ist die Überarbeitung des Unterrichtsmaterials bei einer klaren Orientierung an den Lebensrealitäten unserer Gesellschaft dringend geboten.
  • Anderslautenden Verlautbarungen zum Trotz fehlen in der aktuellen Debatte um die Neuordnung der Bildungspläne für 2015 Begriffe wie sexuelle Orientierung und geschlechtliche Vielfalt bisher komplett.
  • Dem von der grün-roten Landesregierung angestrebten Konzept der Leitprinzipien fehlt außerdem ein sechstes Kapitel mit dem Titel „Umgang mit Vielfalt“.
Anhörung zum Aktionsplan im Landtag
Alle bisher vom Netzwerk auf unterschiedlichsten Verwaltungsebenen geführten Gespräche sowie die klaren Forderungen bei den baden-württembergischen Christopher Street Day (CSD) Demonstrationen im Sommer waren zwar durch Offenheit und Interesse von Seiten der Verantwortlichen geprägt, konkrete Verbesserungen oder gar Ergänzungen der Bildungspläne folgten aber bis dato nicht.«
Sitzung des Beirats zum Aktionsplan mit Soziaministerin Altpeter im Sozial-Ministerium, Januar 2013

Und weiter:

»Die bisher mehr als schleppende Diskussion um die Weiterentwicklung der Bildungspläne hin zu mehr Sichtbarkeit von LSBTTIQ - Menschen ist erschreckend. Jugendliche, die sich dem LSBTTIQ-Spektrum zugehörig fühlen, haben ein Recht auf Schulen in denen ihnen mit Respekt und Akzeptanz begegnet wird. Sie verdienen die Chance, angstfrei und sichtbar am schulischen Leben teilhaben zu können. Die gezielte Förderung einer Vielfaltskultur an Schulen und Bildungseinrichtungen entwickelt sich dabei zu einem klaren Gradmesser für den Erfolg des Aktionsplans und entscheidet am Ende über Gelingen oder Scheitern des ambitionierten Vorhabens der Landesregierung, Baden-Württemberg zum Vorreiter für Toleranz und Gleichberechtigung zu entwickeln.«
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Sitzung des Beirats im Januar 2013 im Sozial-Ministeriums
Anfang Oktober 2013 ist ein Gespräch von VertreterInnen des Landesnetzwerks aus dem Bildungs-Bereich und der Vorsitzenden der größten Bildungs-Gewerkschaft des Landes (Doro Moritz, GEW) mit dem neuen Kultus-Minister Stoch vorgesehen.
 
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Whistle-Blower Bradley Manning:Equality @ the classroom 
Kultusminister Stoch -

Er muss "baden-württembergische Schulen dazu anhalten,
dass in den Bildungsstandards sowie in der Lehrerbildung
die Vermittlung unterschiedlicher sexueller Identitäten verankert wird" -
und muss Konzepte für Schule&Bildung entwickeln, "um Vorurteile abzubauen
und Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt zu machen.«.
(Koalitions-Vertrag)

Logo des Aktions-Plans BW
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p.s.:
Homophobie ist an deutschen Schulen weit verbreitet. 
Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes, der kürzlich in Berlin vorgelegt wurde. Nicht nur, dass „schwul“, „Schwuchtel“ oder „Lesbe“ auf vielen Pausenhöfen als Schimpfwörter gelten. Sogar ein Drittel der Lehrerinnen und Lehrer mache sich über Homosexualität lustig, heißt es da.  
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kommt in ihrem Bericht jetzt zu dem Schluss, dass sich die Mehrzahl der Bildungseinrichtungen in Deutschland im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebensweisen noch immer schwer tue. Viele Lehrkräfte würden selbst homophobe Einstellungen reproduzieren, und in den Schulbüchern würden zu viele Stereotype von Partnerschaft und Familie vermittelt. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder vielfältige Formen von Familie kämen kaum vor.[Quelle]

Zur Expertise "Diskriminierung im vorschulischen und schulischen Bereich" geht es hier (pdf).

Freitag, 27. September 2013

Von dummen Schülern, PISA und dem Gorilla Koko

Lange Zeit galten Orang Utans als die dümmsten Menschen-Affen. 
Warum?

Zum Beispiel: Anders als Schimpansen konnte man Orang Untans nicht dazu dressieren, im Zirkus auf dem Stühlchen am Tischchen zu sitzen und zur Belustigung der ZuschauerInnen mit dem Löffel zu essen. - Und: Sie sehen uns Menschen auch nicht so wirklich ganz ähnlich.

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft

Das Bild hat sich geändert.
Heute weiß man, dass Orang-Utans die schlauesten aller Menschen-Affen sind.  Und man meint auch den Grund dafür zu kennen, auf den ich jetzt hier aber nicht näher eingehe.

Es gibt diesen Witz, in dem viel Wahrheit steckt:
Man gibt einem Schimpansen, einem Gorilla und einem Orang-Utan einen Schraubenzieher. 
Was passiert?
  • Der Schimpanse schaut den Schraubenzieher kurz an, denkt nach, wirft ihn dann auf den Wärter - verfehlt diesen aber.
  • Der Gorilla schaut den Schraubenzieher auch kurz an, überlegt und kratzt sich dann damit den Rücken.
  • Der Orang-Utan ignoriert den Schraubenzieher. - Als sich der Wärter jedoch entfernt hat, verbiegt der Orang-Utan den Schraubenzieher, macht daraus einen Nachschlüssel, öffnet den Käfig und verschwindet auf Nimmerwiesersehen in die Freiheit. 
Die Moral von der Geschichte: 
Der Orang-Utan ist nicht dumm, weil er sich nicht dressieren lässt, sondern er ist der Klügste der Menschenaffen, weil er sicht nicht dressieren lässt.

Was sagt uns das über die dummen SchülerInnen? - Sie können es sich schon denken. Ich komme aber trotzdem darauf weiter unten zurück.
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Vielleicht haben Sie von der Gorilla Koko gehört? Auf youtube können Sie sie "reden" hören bzw. sehen.

youtube screenshot

Koko (* 4. Juli 1971 in San Francisco) ist der Name eines weiblichen Gorillas, der derzeit in der 1976 gegründeten Gorilla Foundation in Woodside, Kalifornien lebt.
Koko erlangte internationale Aufmerksamkeit, nachdem sie von der Primatologin Francine Patterson (mit der sie seit Jahrzehnten als Hausdame zusammenlebt) und anderen Wissenschaftlern an der Stanford University trainiert wurde, mit über 1.000 Zeichen der Amerikanischen Gebärdensprache zu kommunizieren und annähernd 2.000 englische Wörter zu verstehen.[Quelle: wikipedia u.a.]. Sie "spricht" 2 Sprachen, indem sie auf englisch gestellte Fragen in Zeichensprache beantwortet, sie kann verschiedene Worte lesen, u.a. ihren eigenen Namen, und: Im Stanford-Binet-Test, einem verbalen Intelligenz-Test,  hat sie zwischen  85 und 95 Punkten  erreicht - das schaffen noch nicht mal alles Studenten. - So viel zu Intelligenztests.
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Kommen wir nun zu den dummen SchülerInnen.

Ich wurde in Cleveland/Ohio geboren, meineEltern waren politisch sehr interessiert. In der Schule war ich nie besonders gut. 
Ich war das, was man "ein schwieriges Kind" nennt
Ich galt als undiszipliniert, weil ich den Lehrern Widerworte gab und mich nicht an die Vorschriften hielt. Außerdem schwänzte ich die Schule und machte lauter schreckliche Sachen. 
Trotzdem muss ich - auf gewisse Art - sehr klug gewesen sein. Aber ich nahm mich selbst überhaupt nicht so wahr. Ich verstand mich eher als strategisch: Man musste durchkommen. Sich irgendwie in der Schule und in der Synagoge durchlavieren. Und ich hatte etwas gegen Autoritäten. 
 

Als ich in der 5. Klasse war, wurde meine Mutter zum Direktor zitiert. 
Ich muss damals ungefähr 11 gewesen sein. Er warnte sie: Ich könnte möglicher Weise kriminell werden. Daraufhin durfte ich nicht mehr auf diese jüdische Schule gehen. Es hieß, ich könnte höchstens Privatunterricht beim Rabbi nehmen. Das fand ich ganz toll, weil ich diesen Rabbi sehr liebte. Ich schwänzte sogar den Hebräisch-Unterricht, um den Rabbi reden zu hören. Er sprach über ziemlich außergewöhnlich Themen. Daniel Silver hieß er, und er hatte ein Buch über Moses geschrieben. Insgeheim war ich also sehr froh, dass ich gezwungen war, Privatstunden beim ihm zu nehmen. 

Er fragte mich, was ich lernen wolle, und er war sehr misstrauisch, weil ich ja ein Problemkind war. Ich sagte ihm, ich wolle wissen, warum man Spinoza aus der Synagoge exkommuniziert hatte. Und ich wollte erfahren, ob es einen Zusammenhang zwischen der Philosophie des Deutschen Idealismus und dem Aufkommen des Nationasozialimus gab. Außerdem wollte ich Existenzial-Theologie verstehen. Da war ich 14.
Das Mädchen heißt Judith Butler.

"Judith Butler (* 24. Februar 1956 in Cleveland) ist eine US-amerikanische Philosophin und Philologin. Sie ist Professorin für Rhetorik und Komparatistik an der University of California, Berkeley. Ihre sozialwissenschaftlich-philosophischen Arbeiten werden dem Poststrukturalismus zugeordnet".[wikipedia]

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Orang Utans lassen sich nicht dressieren,
ein Gorilla besteht einen Intelligenz-Test,
das schwierige Kind wird weltberühmte Professorin ... -
Was sagt uns das (auch als LehrerIn),
und was sagt es uns nicht?

Samstag, 21. September 2013

Berti Vogts, die Plurimi und das EINE Ziel: Abitur

Wer kein Latinum hat, kann in der lateinischen Internet-Grammatik nachschlagen:

multi plures plurimi viele, mehrere, die meisten

 Plurimi, das ist der Superlativ von "viele", also "die Meisten".
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Im Bayerischen Fernsehen bzw. in BR alpha  gab es eine kleine Serie mit dem Titel: "Viele Wege - Ein Ziel".  Das EINE Ziel ist in diesem Fall die allgemeine oder die Fachhochschul-Reife, also: DAS ABITUR. -

 

Jeder Teil ist etwa 15 Minuten lang. Die Serie ist gut gemacht, interessant und hilfreich. Die Botschaft ist, dass es in Bayern nicht nur EINEN Weg zur Hochschulreife gibt, das Gymnasium, sondern 30 Wege; das Telekolleg z.B. ist in Bayern (aber wohl nicht in BW) einer der 30 Wege zum Abitur.  Das ist erstaunlich, finde ich, dass es so viele Wege gibt, und die Serie kann viele junge Menschen ermutigen, die in der 5. Klasse auf einer Real- oder Hauptschule gelandet sind, die die Schule abgebrochen haben oder die eine Lehre machen und dann merken: Hier bin ich (noch) nicht an der richtigen Stelle in meinem Leben angelangt.  Fast alle Wege führen zum Abitur; können zum Abitur führen.

Die etwas verstecktere Botschaft ist vielleicht, dass es im Grunde nur EIN End-Ziel für jedermann geben kann: Das Abitur.
Und diese Botschaft würde zumindest die OECD erfreuen, denn sie möchte, dass "die meisten" Bürgerinnen ihrer 34 Mitgliedsländer das Abitur machen sollen. 70% möchte die OECD erreichen, Deutschland schafft gerade schlappe 55%.

Und damit sind wir bei Berti Vogts, der schon Anfang der 1990er Jahre bemerkte:
"Die Breite in der Spitze ist dichter geworden".    
Die OECD würde sagen:
"Die Breite in der Spitze muss noch dichter werden."
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  • Warum die Spitze noch breiter werden soll, wäre eine eigene Frage. 
  • Sicher ist: Nicht allen Menschen gefällt es, wenn die Spitze breiter wird. 
Warum nicht? Der eine oder die andere an der Spitze möchten eben lieber unter sich bleiben. Wo käme man denn dann hin, wenn ...

  • Manch Eine/r fürchet Niveau-Verlust: Es kann ja nicht sein, dass so viele Menschen genau so schlau sind wie ich und auch Abitur machen. (Manche Zungen sagen, diese Einstellung sei unter Sozialdemokraten besonders verbreitet: Nachdem man Selber auf der Bildungs-Leiter aus der Unterschicht oder unteren Mittelschicht aufgestiegen ist, stößt man man sie Leiter hinter sich um, damit es oben auf dem Dach nicht so voll wird.) -  "Einbildung ist auch eine Bildung" pflegte meine Oma immer mal wieder zu sagen.

Botho Strauß. (Quelle)
  • Es gibt sogar Menschen an der Spitze, die dort oben leiden, wie der Schritsteller und Dramatiker Botho Strauß zum Beispiel: Warum? Ganz einfach:
    Es gibt Leute, die wollen schlichtweg nicht anerkennen, dass die Spitze die Spitze ist und verehren statt dessen das Populäre, sie ernennen die Breite zur Spitze und betreiben einen "intellektuellen Götzendienst vor dem Populären" (statt Götzendienst vor der Spitze, was doch schöner wäre). - Da bleibt der wahren und eigentlichen Spitze, den Wenigen, nur übrig, sich abzusondern, sich in der Absonderung einzurichten, sich nicht "nach unten" anzupassen.

Prof. Nida-Rümelin (Quelle)
  • Der Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin nennt einen anderen Grund, er spricht vom Akademisierungs-Wahn, weil immer mehr junge Menschen auf das Gymnasium wollen, studieren wollen, sich Deutschland aber einen massiven Einbruch im Bereich der Ausbildungs-Berufe nicht leisten könne. "Mit 30% eines Jahrgangs wäre der Weg in die Deindustrialisierung Deutschlands nach britischem Muster voregezeichnet. Eine Kopie des US-Bildungssystems würde Deutschland nicht guttun." - Das heißt: Deutlich mehr als 30% eines Jahrgangs sollten eine Berufs-Ausbildung machen. Wenn in Deutschland 55% eines Jahrgangs Abitur oder Fach-Abitur machen, dann ist das genug, über 70% Akademiker führe zur De-Industrialisierung. -

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Auch in Baden-Württemberg 
führen viele Wege zum Abitur , das sieht dann graphisch so aus:


Ob es auch 30 sind und ob jemand die Wege addiert hat - weiß ich nicht. 

Siehe auch:
  • Bildungs-Panik hier - Aufstände dort. 
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Freitag, 13. September 2013

Handwerkskammer wünscht zweigliedriges Schulsystem mit Gymnasium und Gemeinschaftsschule

"Das dürfte der CDU nicht passen: 
Ihre eigene Klientel, also Handwerk und Arbeitgeber, befürwortet die Schulpolitik der grün-roten Landesregierung" (SWR-Landesschau-aktuell am 11. September 2013). 
«Die baden-württembergische CDU ist da noch beim Gestern stehengeblieben»,
sagte Landes-Handwerks-Präsident Joachim Möhrle am Mittwoch in Stuttgart.
Auch sie müsse einsehen, dass das dreigliedrige Schulsystem nicht immer die erwünschten Erfolge gebracht habe.
Er appellierte an Regierungskoalition und Opposition «die Ideologie über Bord zu werfen» und Schulfrieden zu schließen.
Das Handwerk wünscht einen Wandel zu einem zweigliedrigen Schulsystem mit Gymnasium und Gemeinschaftsschule, in die auch die Realschule einmünden soll.
Möhrle mahnte:
«Der ambitionierte Bildungsaufbruch droht, zu einem Schulstandort-Rettungsprogramm zu schrumpfen.»
Die neue Schulart müsse als Qualitätssiegel verstanden werden, fügte der Ulmer Kammerpräsident Anton Gindele hinzu.
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt legte am Tag danach nach:  Auch aus Sicht der Arbeitgeber sei ein parteiübergreifender „Schulfrieden“ anzustreben, der auf einem Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und einem Schultyp, der den Hauptschulabschluss und die mittlere Reife anbietet, fußen sollte.

Gut ist, dass die Handwerkskammer in der Stellungsnahme gleich drei ganz zentrale Punkte zielgenau ansteuert:
  1. Das Ziel: 2-gliedriges Schulsystem.
  2. Die Gefahr: GMS (Gemeinschaftsschule) als Standort-Rettungsprogramm.
  3. Der Anspruch: GMS als Qualitätssiegel.
Was Gemeinschaftsschulen brauchen, um diesen Weg zu gehen und der Gefahr zu ent-gehen wird u.a. hier beschrieben.
Welchen Geburtsfehler es bei der gründung der GMS in BW gab (und den man zur Kenntnis nehmen und darauf regaieren muss) lesen Sie u.a. hier.
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EINE SCHULE FÜR ALLE ?


In NRW gibt es ein Bündnis "Eine Schule für alle":
"Ziel des Bündnisses ist die Aufgabe des vielgliedrigen Schulsystems zugunsten einer Schule für alle. Diese soll für alle Kinder und Jugendlichen bis zum ersten schulischen Abschluss in der Sekundarstufe I da sein."

In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Initiativen, sogar in Bayern:
"Der Verein "EINE SCHULE FÜR ALLE in Bayern e.V." ist ein Zusammenschluss von Eltern, Lehrern und anderen Interessierten, die unsere öffentlichen Schulen verändern möchten. Unser oberstes Ziel ist die Etablierung einer neuen Lernkultur sowie die Entwicklung von Gemeinschaftsschulen in Bayern."


  • Die meisten Initiatiativen dieses Namens meinen damit: Eine Schule, in der Kinder mit und ohne Behinderungen zusammen lernen, meist als "Inklusion" bezeichnet. 
  • Die beiden o.g. Initiativen wenden sich aber gegen das mehrgliedrige Schulsystem, d.h. sie meinen: "EINE SCHULART für alle Kinder bis Klasse 10" bzw. "Eine Schulart für ALLE Kinder bis Kl. 10". 
"Menschen werden in Schubladen gesteckt und dann steckst du darin fest. So geht es auch in der Schule:
irgendwelche Zufälle entscheiden darüber, ob du im Gymnasium, der Hauptschule oder in der Förderschule landest.
Es wäre doch eine schöne Vision, könnte man doch eine Schule für alle schaffen, wo jeder die Chance bekommt, mehr zu lernen, Hilfe zu bekommen und nicht ausgegrenzt zu sein ! -
Das meint Ismail aus Klasse 9, [Pestalozzi-Schule Heilbronn],  und er ist nicht allein."
Nun ja. Lieb gemeint... 

Screenshot


Seit 2012/2013 gibt es nun statt EINER SCHULART für alle Kinder der Sekundarstufe I
EINE SCHULART MEHR FÜR ALLE in BW:
Neben Hauptschule (mit und ohne Werk-Realschule),  Realschule, Gymnasium + Freie Schulen und Privatschulen (wie z.B. Waldorfschulen und Kirchliche Schulen) nun auch die Gemeinschaftsschule .
Wir haben also zur Zeit in BW kein 2-gliedriges und auch kein 3-gliedriges Schulsystem, sondern ein mindestens 4-gliedriges Schul-Sytem. -
Gut oder schlecht? Und für wen?
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Lassen wir den Soziologen Klaus Hurrelmann (* 1944) sprechen:

Es lassen sich vier Gruppen von Schülern unterscheiden:
  1. Erstens können wir eine „Leistungselite“ der „selbstbewussten Macherinnen und Macher“ identifizieren. Sie bildet fast ein Drittel der Jugendpopulation, und zeichnet sich durch eine Synthese von „alten“ und „neuen“ Werten aus. Die Werte Fleiß und Ehrgeiz, Macht und Einfluss sowie Sicherheit erleben in dieser Gruppe eine Renaissance, sie werden mit den Selbstverwirklichungswerten Kreativität, Unabhängigkeit, Lebensgenuss und Lebensstandard kombiniert. Die „Macher“ sind eine aufstiegsorientierte Gruppe von gleich vielen jungen Frauen und jungen Männern. Die selbstbewussten Macherinnen und Macher verbinden Selbstverwirklichung mit Selbstdisziplin, sie haben keine Schwierigkeiten damit, über Fleiß und Disziplin zu materiellem Reichtum und Lebensgenuss zu kommen. Sie sind Nutzenkalkulierer, die wir in früheren Untersuchungen auch als „Egotaktiker“ bezeichnet haben.
  2. Eine zweite herausragende und tonangebende Gruppe, die ebenfalls etwa ein Drittel der Population umfasst, haben wir als „pragmatische Idealistinnen und Idealisten“ bezeichnet. In dieser Gruppe sind die Frauen eindeutig in der Überzahl.
    Im Unterschied zu den Machern kommen bei diesem Wertetyp humanistisch geprägte Motive für ein soziales Engagement ins Spiel, die sich vor allem auf jugendbezogene Themen in Freizeit und Schule richten, aber auch sozial bedürftige Gruppen mit einbeziehen. Die tonangebende Mentalität ist eine Mischung aus wacher Umweltwahrnehmung und beherztem Ergreifen von Chancen der Umweltgestaltung.
  3. Diesen beiden selbstbewussten und erfolgreichen Gruppen stehen die zögerlichen, skeptischen, resignierten und unauffälligen Jugendlichen gegenüber, die keinen großen Erfolg in Schule und Ausbildung haben, dennoch nach Lebensstandard und Macht streben, sich aber duldsam und durchaus tolerant mit ihrer gegenwärtigen Lebenslage abfinden. Sie stellen etwa ein Fünftel der Population, unter ihnen sind in der Mehrzahl junge Frauen.
  4. Ebenfalls etwa 20 Prozent gehören zur vierten Gruppe, die wir als „robuste Materialisten“ bezeichnet haben. In dieser Gruppe überwiegen zahlenmäßig die jungen Männer.
    Sie wollen Macht und Lebensstandard und einflussreiche Positionen mit Lebensgenuss verbinden, aber sie haben ein deutliches Gefühl dafür, dass ihre leistungsmäßigen und sozialen Kompetenzen hierfür bei weitem nicht ausreichen. Bei ihnen kommen Verlierer- und Versagerängste auf, es zeigen sich Dispositionen für unkontrollierte Aggression und Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.
    In dieser Gruppe ist das politische Interesse gleich Null, das soziale und zivile Engagement außerordentlich klein. Diese Gruppe steht am Rande der bundesrepublikanischen Leistungsgesellschaft, wartet nur noch latent auf Angebote der Integration.
Für alle Jugendlichen gilt: 
Der Schwerpunkt ihrer Zukunftswünsche liegt im Erfolg in der Leistungsgesellschaft, also überwiegend im beruflich-wirtschaftlichen Komplex.
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  • Sicher ist: Die 7-G-Schule reicht nicht mehr aus. Siehe: Individualisiert lernen statt 7-G-Unterricht.
  • Umstritten ist die Segregation der SchülerInnen, z.B. Typ1 ins Gymnasium, Typ 2 ins Lyzeum, Typ 4 ins die Hauptschule...
  • Auch nicht Konsens ist: Eine Schulart für alle Typen ("Gesamtschule") mit individualisierten Verläufen innerhalb dieser Schulart. (Siehe dazu: "Von Schichten und Geschichten" oder auch "In der Gemeinschaftsschule lernen alle gemeinsam weniger".)
  • Trend ist: Wer zu Typ 1 gehört und Geld hat, geht nach dem Abi auf eins der "Best-Buys-Colleges" - wer keins hat, leiht sich 50.000 Euro, (in Deutschland z.B. bei der KfW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau) und geht ebenfalls auf eine Best-Buy-Schule mit der (trügerischen?) Gewissheit, dass er das Geld später locker zurückzahlen kann.
    Siehe: Bildung als Ware: "Die Investitionen in ein Studium an US-Universitäten sind immens. Aber sie können sich lohnen." 

Sonntag, 8. September 2013

Vom Fachkräfte-Mangel, Akademisierungs-Wahn, Demografie und Mao Zedong

Studieren zu viele?


Nun, in Deutschland vergleichsweise nicht. 

Denn Deutschland hat mit einer Abiturienten-Quote von 55% eines Jahrgangs (incl. Fach-Abitur) die zweit-niedrigste Abi-Quote aller 34 OECD- Mitglieds-Staaten. Und nur 43% dieser AbiturientInnen nehmen dann ein Studium an der Uni oder Fachhochschule auf.
Die OECD würde deshalb sagen:
In Deutschland studieren zu wenige, denn angestrebt werden von ihr 70% Studien-Berechtigte eines Jahrgangs, so wie das in Spanien, Italien, Japan, Finnland, Südkorea schon der Fall ist. Akademisierungs-Wahn?

Aber auch in Deutschland geht der Trend zur höheren Bildung (siehe unten die Entwicklung der letzten 10 Jahre). Allen Eltern ist wohl gemeinsam, dass der Schulabschluss ihrer Kinder gleich oder höher sein soll als ihr eigener. Das ist auch der Fall. Schauen wir uns diese Statistik an:

Screenshot. Diese Statistik täuscht,
weil in Deutschland die Ausbildung im Schnitt 1-2 Jahre länger dauert
als in anderen Ländern. Deshalb eine 2. Statistik der 35-44-Jährigen.
Diese Statistik zeigt, dass in Deutschland 20% der 25-34-Jährigen einen höheren (grün) Bildungsabschluss haben als ihre Eltern, 22% einen niedrigeren (rot).
Damit wäre Deutschland von den 6 abgebildeten Ländern dass einzige Land, in dem mehr Menschen dieser Alters-Gruppe abgestiegen als aufgestiegen sind, was den Bildungs-Abschluss betrifft. - Aber das täuscht, denn die Ausbildung dauert in Deutschland länger als in anderen Ländern.

Schaut man sich die Zahlen für die 35-44 Jährigen in Deutschland an, dann sieht man, dass auch in Deutschland mehr Menschen einen höheren Bildungs-Abschluss haben als ihre Eltern (als einen niedrigeren haben).
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Warum studieren?
Es gibt diejenigen, die nach dem Abitur auf die Uni gehen, "weil es für mich ein Traum war, auf die Uni zu kommen und keinerlei Verpflichtungen mehr zu haben" - so  ein Ex-Student über sich selber auf Facebook. Sein Traum zerschlug sich, denn mit dieser Einstellung habe das Studium ihn geschafft und nicht er das Studium, wie er schreibt. - Nach 4 verschwendeten Jahren hat er das Studium abgebrochen und eine Ausbildung begonnen: "Jetzt bin ich sehr glücklich in meiner Ausbildung." -

Dann gibt es die, die aus dem guten Grund studieren, dass es zumindest in Deutschland (noch?) so ist, dass man mit einem höheren Bildungs-Abschluss die Chance auf einen besseren Berufseinstieg hat, mehr Berufe zur Auswahl und die Aussicht auf eine bessere Bezahlung. Das ist ein guter und vernünftiger Grund (der allerdings in Italien, Spanien und Griechenland schon nicht mehr passt).

"Fakt ist", so Andreas Schleicher, (Bildungsforscher und internationaler Koordinator der PISA-Studien der OECD), "dass ein Hochschulsbasolvent in Deutschland im Arbeitsleben durchschnittlic 74% mehr verdient als jemand mit Sekundar-Abschluss und Lehre".
Anekdote am Rande: 1974 hatte ihm ein Grundschullehrer unter ein Zeugnis geschrieben: "Ungeeignet für das Gymnasium".

Übrigens: Kopf-Arbeiter verdienen auch bei Nicht-Akademikern das Meiste

Warum nicht studieren?
Der Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin spricht vom Akademisierungs-Wahn, weil sich Deutschland einen massiven Einbruch im Bereich der Ausbildungs-Berufe nicht leisten könne. "Mit 30% eines Jahrgangs wäre der Weg in die Deindustrialisierung Deutschlands nach britischem Muster voregezeichnet. Eine Kopie des US-Bildungssystems würde Deutschland nicht guttun."

Der Handwerker-Verband hat Nachwuchssorgen. Nicht nur gibt es weniger Schulabgänger, auch sind Handwerksberufe out, sie haben ein schlechtes Image, sie bekommen zu wenig Anerkennung, zu wenig soziale und finanzielle Anerkennung. 

Auch Österreichs Minister für Wissenschaft und Forschung Töchterle spricht vom Akademisierungswahn, dem man nicht verfallen dürfe. Die Universität solle "ein Ort der Forschung und Lehre sein", das gehe "nur mit einer begrenzten Zahl dafür geeigneter. Nicht alle Absolventen taugen für die besonders kognitiv ausgerichteteten Universitätsstudien". 

Ein Vertreter der Industrie- und Handelkammer: "Die Hörsäle an den Uni sind überfüllt, den Betrieben fehlen Auszubildende. Inzwischen gibt es mit rund 500.000 Menschen fast so viele Erstsemester wie Ausbildungsanfänger. Nicht jeder ist mit einem Studium auf der Erfolgs-Spur. Rund 25% der Studienanfänger brechen ab. Der Trend zur Akademisierung muss um jeden Preis gestoppt werden."-
Aber wie soll der Trend gestoppt werden? Ende 1968 rief Mao Zedong die intellektuelle Jugend dazu auf, „in die weite Welt hinauszugehen“.  

Zehn Millionen Mittelschüler wurden auf das Land geschickt, um "von den Bauern zu lernen". Sie verließen nun die Städte, in denen sie als Rote Garden Geschichte gemacht hatten....
Vielleicht eine gute Idee für Deutschland? ;-)



Man könne das u.a. dadurch ändern, so der Soziologe Prof. Hurrelmann, dass man manche  Ausbildungsberufe akdemisiere. In 24 von 27 EU-Ländern benötigt man z.B. für den Pflegeberuf das Abitur. Am Diakonie-Krankenhaus in Bad Kreuznach z.B. kann man im Dualen Ausbildungsgang ein Pflegestudium an der Fachhochschule machen und den Bachelor für Gesundheit und Pflege erwerben. In Griechenland haben auch ErzieherInnen einen Master (was ihnen aberdort materiell nichts nützt, weil es keine Arbeitsplätze gibt).


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Fachkräfte-Mangel und Demografie

  • Der deutschen Wirtschaft fehlen jedes Jahr bis zu 30.000 Ingenieure.
  • Der Mangel an Fachkräften durchdringt viele Bereiche der deutschen Wirtschaft. Es fehlen nicht nur Ingenieure, sondern auch Lehrlinge, Gesellen und Meister. 2012 waren noch 30.000 Lehrstellen unbesetzt, dem standen 11.000 BewerberInnen gegenüber. Im Osten Deutschlands findet jeder 2. Betrieb keine Auszubildende, Ursache ist (zu welchem Anteil?) der Rückgang der Zahl der SchulabgängerInnen. Die Demografie spricht FÜR die Jugendlichen: Sie finden viel leichter einen Arbeitsplatz als früher. Doch es gibt auch Jugendliche, die eigentlich niemand haben will wegen "mangelnder Ausbildungs-Reife". - Die Betriebe müssen ihre Ansprüche herabschrauben, um die guten BerwerberInnen werben - oder Hoch-Qualifizierte aus dem Ausland importieren.
Im gesamten Bundesgebiet veränderte sich die Zahl der SchulabgängerInnen zwischen 2000 und 2010 (abgerundet) wie folgt:

Ohne Schulabschluss:          Von 87.000 auf 66.000 gesunken
Mit HS-Abschluss:              Von 229.000 auf 193.00 gesunken
Mit RS-Abschluss:              Von 369.000 auf 334.000 gesunken
Mit Fachhochschul-Reife:   Von 8.900 auf 11.500 gestiegen!
Mit Hochschulreife:             Von 225.000 auf 243.000 gestiegen!
Summe:                                Von 919.000 auf 848.000 gesunken

  • Die Gesamtzahl der Schulabgänger stieg zwischen 2000 und 2007 jährlich um 1 - 3% an, 
  • von 2008 - 2012 sank sie jährlich um 2 bis knapp 8% pro Jahr, 
  • 2013 sank sie wegen des Abi-Doppeljahrganges nur um 2,9%, 
  • der Rückgang wird sich im Bereich von 8% pro Jahr  fortsetzen.

Deutschland nimmt mit seiner Quote der Schulabgänger mit Abitur oder Fachabitur (55%) den vorletzten Platz in der OECD ein.
Der Trend zum höheren Bildungsabschluss setzt sich jedoch fort. Der mittlere Bildungsweg, Realschul-Abschluss, dient in Deutschland als zweitbeste Lösung.Der akademische Abschluss gilt nach wie vor als beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit.
In vielen Ländern Europas ist auch der Hochschulabschluss keine Garantie mehr für einen Arbeits-Platz.-  In Deutschland, Österreich und der Schweiz sieht das (noch?) anders aus.
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Warum ist in Deutschland die Jugendarbeitslosigkeit geringer? - 
  • Durch den demografischen Wandel (s.o.).
  • Das Duale Ausbildungs-System gilt als ein wichtiger Grund für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit. In Deutschland (Österreich und der Schweiz) bekommen viele Jugendliche eine qualifizierte Berufs-Ausbildung im "Dualen System", d.h. sie machen eine "Lehre" im Betrieb und in den Berufsschulen - das gibt es in anderen Ländern Europas, Asiens und in den USA nicht. Dort heißt es "Learning on the job" oder nur in der Schule,
  • Etwa 400.000 Jugendliche pro Jahrgang werden in berufsvorbereitenden Maßnahmen "geparkt", die zum Teil hässliche Namen haben, wie BVJ, zum Teil schöne ;-) wie "Job-Starter-Connect", "Job 4000" oder "Fit for Job".  (Diese Kurse vermitteln jedoch leider oft nicht das, was die Betriebe suchen. - 1,5 Millionen TeilnehmerInnen kamen ohne Erfolg, d.h. weiterhin ohne Arbeitsplatz,  aus diesen Maßnahmen heraus.)
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Mittwoch, 4. September 2013

Von Akademisierungs-Wahn, Azubis und der "Pädagogischen Provinz"


Berlin - Der Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Julian Nida-Rümelin, hat davor gewarnt, dass in Deutschland zu viele junge Menschen studieren und keine Berufsausbildung absolvieren. "Wir sollten den Akademisierungswahn stoppen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

"Bald laufen die Studenten den Azubis den Rang ab. Das finde ich falsch." Die hochwertige Berufsausbildung im dualen System funktioniere nur, "wenn die Mehrzahl eines Jahrgangs weiter in die berufliche Lehre geht, nicht eine kleine Minderheit".
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Dazu drei Fragen:
  1. Gibt es einen Akademisierungs-Wahn?
  2. Wenn ja: Wäre das gut oder schlecht 
  3. - und für wen oder was wäre es gut bzw. schlecht?
Screenshot 1
Die deutsche Statistik zeigt: 

Es gibt in Deutschland einen großen Zuwachs bei der "Abiturienten-Quote" eines Jahrgangs und zwar von gut 10% eines Jahrgangs im Jahre 1972 auf fast 60% in 2012, das ist eine Ver-fünf-fachung in 30 Jahren.
Abitur, das bedeutet: Uneingeschränkte "Studier-Fahigkeit", Studien-Berechtigung, Zugang zur Universität. - Es bedeutet noch nicht, dass man auch tatsächlich studiert. Die Zahl, die darüber Auskunft gint, ist die Studienanfänger-Quote (siehe unten).



Ist das nun schon der Wahn? 
Oder ist es einfach nur gut, denn je mehr Menschen eine höhere Bildung haben, um so besser ist es ja für diese Menschen.

Schauen wir uns eine weitere Statistik zum Vergleich an:

Screenshot 2
Diese Statistik zeigt, dass die Abi-Quote ("Studien-Berechtigte") in Deutschland bei 55% liegt. Was man hier nicht sieht: 40% eines Jahrgangs haben die "Allgemeine Hochschulreife" = Zugang zur Uni; dazu kommen 15% eines Jahrgangs mit "Fach-Hochschschul-Reife", d.h. Zugangsmöglichkeit zu einer Fach-Hochschule. -
  • Damit liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz in der OECD, vor Griechenland. 
An der Spitze mit der Abi-Quote (Zulassung zur Hochschule = Zugang zum tertiärem Bildungsbereich) liegen Finnland (mit 93%), es folgen Spanien (mit 75% auf Platz 2) und Italien (mit 74% auf Platz 3) und dann folgen zwei asiatische Länder.

In Deutschland liegt die "Studienanfänger-Quote" bei 43% eines Abitur-Jahrgangs, im OECD-Durchschnitt bei 56%. Das heißt für Deutschland: 43% der AbiturienInnen nehmen nach dem Abi ein Studium an der Uni, an der Fachhochschule oder an einer Verwaltungs-Fachhochschule auf. - Die höchsten Studienanfänger-Quoten haben Australien (87%), Polen (83%), Portugal (81%). - Vergleichbar mit Deutschland ist die Schweiz mit 38%. Österreich liegt bei 50%.  [Quelle]

Es könnte sein, dass der Philosophie-Professor Julian Nida-Rümelin (* 1954 in München) bei dem Wort "Akademisierungs-Wahn" an die 34 Mitgliedstaaten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) dachte, denn in der Tat ist es die OECD, die immer wieder betont, dass Deutschland - im Vergleich zu anderen OECD-Mitgliedsstaaten - mit 55% eine zu geringe AbiturientInnen-Quote habe:  
Die OECD hat 70% als Zielmarke.

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Die OECD gilt als wirtschafts-nah und wirtschafts-freundlich.
"Der ökonomische Nutzen von Bildung
für den Einzelnen und die Gesellschaft sowie Chancengleichheit im Bildungssystem stehen in der bildungspolitischen Arbeit [der OECD] im Vordergrund. Im jährlich erscheinenden Publikation Bildung auf einen Blick veröffentlicht die OECD vergleichende Statistiken und Indikatoren zum Ressourceneinsatz in Form von Finanzmitteln oder Personalausstattung in nationalen Bildungssystemen und analysiert, wie sich Bildung auf Innovationskraft und Arbeitsmarkt auswirken. Mit der PISA-Studie hat die Organisation sich international einen Namen bei der Messung von nach bestimmten Kriterien entwickelten Leistungsdaten 15-Jähriger gemacht."
[wikipedia]

Das sagt uns: Offenbar hat die Wirtschaft ein großes Interesse daran, die Quote der Studienberechtigten eines Jahrgangs zu erhöhen. Warum? Böse Zungen behaupten oder vermuten, je mehr AbiturientInnen ein Land hat und je mehr junge Menschen studieren um so größer ist die Auswahl für die Abnehmer, die Wirtschaft, und um so stärker können sie dann die Löhne für die AkademikerInnen drücken. Und  es scheint zumindest auch so zu sein: Spanien, Griechenland, Italien, das sind die Länder mit den vielen arbeitslosen AkademikerInner und den hohen Arbeitslosenzahlen nebst Wirtschafts- und/oder Finanz-Krise. In Spanien spricht man von der "verlorenen Generation", in Rom gibt es gewaltsame Jugend-Proteste, und in Griechenland nützt auch der Hochschulabschluss nichts, um einen Job zu bekommen ... .

Aufstieg durch Bildung? - Ein uneingelöstes Versprechen.

Sicher ist, wie man sieht: 
  • Die Zahl der AbiturientInnen und Studierten alleine ist nicht maßgeblich für den wirtschaftlichen  Erfolg eines Landes.

In vielen Ländern ist der Hochschulabschluss kein Garant für einen Arbeitsplatz - nur in Deutschland, Österreich und in der Schweiz sieht es besser aus. Und das sind übrigens auch die einzigen Länder mit einem Dualen Ausbildungs-System, d. h. eine Kombination von Praxis (als Auszubildende/r im Betrieb) und Theorie (Berufsschule). - Hängt das vielleicht irgendwie zusammen?
Zumindest US-Präsident Obama bewundert das deutsche Berufs-Ausbildungs-System:

Screenshot 3
Friedrich Hubert Esser vom  Bundesinstitut für Berufsbildung spricht von einem Hype des Interesses am Dualen Ausbildungs-System, weil viele Länder offenbar die Vermutung haben, dass der derzeitige Erfolg der deutschen Wirtschaft mit der dualen Ausbildung zusammenhängen könnte. Nachfragen kommen aus Kolumbien, Brasilien, Südafrika, China, deren Abgesandte durch die Welt reisen, um das Ei des Kolumbus zu finden.
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p.s.:
Julian Nida-Rümelin ist Philosoph. Vielleicht hat er beim "Akademiker-Wahn" auch an Goethes "Pädagogische Provinz" gedacht. Denn:

"Die Pädagogische Provinz ist das Bild einer erzieherischen Gemeinschaft, in der das Erlernen handwerklicher Tätigkeiten als Grundlage und Ausgang der Bildung betrachtet wird und die Schüler angeleitet werden, Ehrfurcht vor Gott, vor den Mitmenschen, vor Leiden und Tod und damit schließlich vor sich selbst zu haben, zeichnet Goethe als Utopie in seinem Bildungsroman »Wilhelm Meisters Wanderjahre« (1829). Im ersten Kapitel des zweiten Buches überschreiten Wilhelm und sein Begleiter Felix »die Grenze der Provinz, in der sie so manches Merkwürdige erfahren sollten«. In der Sekundärliteratur zu Goethe hat man in Bezug auf diesen Abschnitt schon früh von der »pädagogischen Provinz« gesprochen. 
Über den Roman hinaus wurde der Begriff dann als Bezeichnung pädagogischer Idealentwürfe gebräuchlich."    Quelle: Univerlalexikon 2012
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p.s.
Von der Vergleichbarkeit der Abiture
Bisher gilt ein Abitur in Bayern oder Baden-Württemberg als "besser" oder "höherwertig" als ein Abitur z.B. in Bremen.
Daran wird aber gearbeitet und zwar sowohl auf deutscher, als auch auf europäischer und internationaler Ebene. Der Deutsche Qualifikations-Rahmen ist die nationale Umsetzung des "Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen"; er soll die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigen und zur angemessenen Bewertung und Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa beitragen. Zunächst werden alle formalen Qualifikationen des deutschen Bildungssystems in den Bereichen Schule, Berufliche Bildung, Hochschulbildung und Weiterbildung einbezogen. Am Ende gibt es dann vielleicht einen Europäischen Bildungspass und ein Diploma-Supplement, die mit dem Meisterbrief und/oder dem Abitur-Zeugnis ausgeteilt werden und aus denen dann die Vergleichbarkeit der Leistungen hervorgeht. Prof. Hurrelmann meint, dass die Vereinheitlichung der deutschen Abiture vielleicht erst über den Umweg Europa kommen wird.

Man kann das Ganze natürlich auch weniger bürokratisch regeln, z.B. so wie in den USA: Dort schaut man einfach auf die Ranking-Liste, die sagt uns dann, wie angesehen die Schule oder die Hochschule ist, und danach wähle ich (als Eltern, als Studierender, als Arbeitgeber) dann aus, wohin die Reise geht und wen ich mitnehme. 

Dienstag, 3. September 2013

Vom Coaching-Wahn

Man kann das Wort "Coaching" im Zusammenhang mit Schule ganz unterschiedlich verstehen.

1. So wie im Leistungs-Sport.
Da will jemand gewinnen, und deshalb suchem er und sie sich einen Coach, der ihnen dabei hilft, zu siegen und Erste/r zu werden. - An diese Art Coaching denkt Frau Winkelmann wohl, wenn sie vom Coaching-Wahn in der Schule spricht.

"Die Ära der Halbtagsschule geht selbst in Deutschland zu Ende.
Die Zeit, da die Kinder mittags daheim von Mama eine warme Mahlzeit bekamen, dann in die unendliche Weite des Nachmittags fielen, um irgendwann auch die Hausaufgaben zu erledigen, ist so gut wie vorüber. Der Ganztagsschule gehört die Zukunft. [...]
Einer der Irrwitze ist, dass der Arbeitsmarkt bald nach jedem einzelnen Kind verlangen wird - die Eltern sich aber trotzdem so verhalten, als müsste jede Achtjährige zur Vorstandsvorsitzenden aufgebaut werden, damit sie wenigstens Verkäuferin wird. Die Hausaufgaben spielen dabei eine wichtige Rolle.
Denn hier merken Eltern, was die Schule verlangt und was noch an Fördervolumen vorhanden ist. Ist das Kind noch nicht vollständig durchgefördert, geben Mütter inzwischen landauf, landab Vollzeitstellen zugunsten karriere- und rentenkillender Teilzeitstellen auf, um nachzufördern. Dabei geht es nicht nur darum, ob Multiplikation und Rechtschreibung klappen. Nein - das Kind muss seelisch aufgebaut, ausreichend motiviert und stark gemacht werden. Wir reden nicht von Lernen, wir reden von Coaching. [...]"
Quelle  

2. Es gibt jedoch auch ein anderes Verständnis von schulischem Coaching. Darüber findet man mehr hier.

Bild-Quelle
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Montag, 2. September 2013

Wie Katharine Meyer ihren Studien-Ort fand und was man daraus lernen kann

Quelle: Katherine Graham, S. 88 und 102
Katharine Meyer, * 1917 in New York,  heiratete mit 23 Jahren den Medienunternehmer Philip Graham und hieß von da an Katherine Graham. Nach dem Selbstmord ihres Mannes 1963 leitete Katharine Graham fast 35 Jahre lang die Washington Post Company. Sie starb 2001.

1936, im Alter von 19 Jahren, nach dem Besuch des Vassar-Colleges, einer Elitehochschule der sogenannten weißen angelsächsischen protestantischen Elite der USA, 100 km nördlich von New York City,  wollte Katharine an einer anderen Universität weiterstudieren.

Aus ihrer Geschichte kann jede Studienanfängerin und jeder Studienanfänger mindestens zwei Dinge lernen.


Die Geschichte:
Vassar-College
"Als ich im Spätsommer 1936 gemeinsam mit meinem Vater im Zug nach Mount Kisco fuhr, brachte ich meine Idee zur Sprache, ich wolle — wie schon mein Bruder Bill — das Studium an der Lon­don School of Economics fortsetzen. Doch dieser Vorschlag stieß auf glatte Ablehnung. -
Mein Vater glaubte, Bill sei intellektuell noch zu unreif gewe­sen, um die sozialen Probleme Europas im richtigen Kontext sehen zu kön­nen. Und das gleiche galt seiner Meinung nach für mich.
Allerdings verste­he er, sagte mein Vater, warum ich aus Vassar wegwolle. Er habe nichts dagegen, wenn ich woanders weiterstudierte; jede amerikanische Universi­tät sei ihm recht.
Diese Wendung des Gesprächs überraschte mich jedoch so sehr, dass mir kaum eine Alternative zu London einfiel. Trotzdem hatte ich das Gefühl, sofort antworten zu müssen, anstatt, wie es normal gewesen wäre, alles in Ruhe zu überdenken. Ich traf eine spontane Entscheidung für die University of Chicago — allerdings nicht aus einem plötzlichen Im­puls heraus, wirklich ernsthaft studieren zu wollen, sondern weil mir ein Bild eingefallen war, das ich in der Zeitschrift Redbook gesehen hatte:
Es zeigte Robert Maynard Hutchins, den jungen, dynamischen, gutaussehen­den Präsidenten dieser Universität.

In der Bildunterschrift war die Rede davon gewesen, daß er den Lernprozess revolutioniere und mit neuen, in­teressanten Ideen zur College-Bildung Furore mache; seine Universität befinde sich in einem intellektuellen Gärungsprozess. In den eigentlichen Artikel hatte ich mich gar nicht weiter vertieft. Chicago als Großstadt im Mittleren Westen war für mich attraktiv, weil ich einfach mal woanders le­ben wollte als an der Ostküste. Ausserdem hatte die Universität männliche und weibliche Studenten. All dies hatte zu meiner spontanen Entschei­dung im Zug beigetragen:
»Na gut«, sagte ich meinem Vater, »dann gehe ich eben nach Chicago.« 
Und so ging ich nach Chicago, ohne mir noch viele Gedanken über meine Wahl zu machen.
Universität Chigago
Weniger als einen Monat nach dem Gespräch im Zug war ich bereits dort. Die Tragweite meiner Entscheidung hatte ich nicht vorhergesehen, und als ich merkte, worauf ich mich eingelassen hat­te, steckte ich bereits mitten im Schlamassel.
Zur Immatrikulation hatte mein Vater mich nach Chicago begleitet — auch, um mir bei der Wohnungs­suche behilflich zu sein; aber als er mich verlassen hatte, war ich in einer fremden Umgebung unter Tausenden von Studenten vollkommen auf mich allein gestellt. Ich kannte wirklich nur ein oder zwei Leute, und auch die nur oberflächlich. Vielleicht war es ganz gut, dass ich weder Zeit noch Verstand gehabt hatte, mir lebhaft vorzustellen, wie allein ich sein würde. Sonst hätte ich vielleicht einen Rückzieher gemacht. Wahrscheinlich trö­stete ich mich mit dem Gedanken, dass ich ja nur ein Jahr bleiben wolle und jederzeit nach Vassar zurückkehren könne. Meine in Vassar hinterlassene Absichtsbekundung zurückzukommen diente mir in der Tat als Sicher­heitsnetz.

Schritt für Schritt klärte sich jedoch die Lage, und es zeigte sich, dass diese Universität für mich genau das Richtige war. Ich fand meinen Weg, lebte mich immer besser ein und schloss mein Studium schließlich so­gar in Chicago ab.
Ich lebte am Rande des Campus im International House; hier wimmel­te es von ausländischen Studenten, graduierten Studenten und einigen weiteren, die wie ich den Hochschulort gewechselt hatten. Wir aßen alle in der Cafeteria, wo wir an runden Tischen zusammensaßen, welche uns die Gelegenheit boten, Freundschaften und Bekanntschaften jeder Art zu schließen. […]"

2 Jahre später.
"Mein Studium an der University of Chicago, dieser »noblen Institution«, wie ich sie meinen Eltern gegenüber nannte, endete Anfang Juni 1938. In den beiden Jahren dort waren meine Noten nicht so gut — oder manchmal auch nicht so schlecht —, wie sie hätten sein können.
Das störte mich jedoch nicht, weil ich trotzdem eine Menge gelernt habe."
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Von der Biologie wissen wir, dass der Mensch 2 Entscheidungs-Systeme hat. 

  • Das eine System (das limbische System) ist sehr alt - rund 100 Millionen Jahre -  und sehr schnell; es entscheidet binnen 1/4 Sekunde. Musste es auch. Denn die Menschen, die sich in bestimmten Situationen der Entwicklungsgeschichte der Menschheit (wenn sie z.B. erst mal lange und in Ruhe überlegten, ob der Tiger wohl gefährlich sein könnte) zu spät entschieden, haben die Evolution nicht überlebt. Überlebt haben nur die Menschen, die diesen Mechanismus der blitzschnellen Entscheidung hatten. -  Dieses limbische Sytem hat keine Sprache: Man kann hinterher nicht sagen und begründen, warum man sich blitzschnell so entschieden hat. Trotzdem hat das limbische System oft einen guten Grund, sich so und so zu entscheiden, auch wenn die Person, die das limbische System in ihrem Gehirn hat, den Grund nicht im Bewusstsein präsent hat. (Es ist allerdings nicht unfehlbar).
  • Das 2. Entscheidungssystem, das Neuhirn oder Frontalhirn, ist noch nicht so alt, erst wenige Millionen Jahre, es ist viel langsamer als das 1. System, ermöglicht uns aber, Sachverhalte in Ruhe vorwärts und rückwärts zu durchdenken.

"Anstatt, wie es normal gewesen wäre, alles in Ruhe zu überdenken, traf ich eine spontane Entscheidung für die University of Chicago".
Diese Entscheidung für die Uni in Chikago fiel im limbischen System. Sie war nicht ohne Grund, denn es gab etwas an der Uni, das diese für Katherine sympathisch gemacht hatte: Der junge Rektor, die frischen Ideen und die neuen Lernprozesse dort. Das war irgendwann einmal bei ihr tief im Inneren hängen geblieben - und war der entscheidende Faktor für ihre blitzschnelle und spontane Entscheidung. Fazit: Auf diese erste 1/4 Sekunde in meinem Bauch-Gefühl achten, wenn ich eine Entscheidung treffen muss. Aber auch: Dieses Gefühl ist nicht unfehlbar; es gibt vielleicht, bei genauem Nachdenken, auch viele gute und vernünftige Gründe, sich anders zu entscheiden. Manchmal sind mir die guten Gründe aber auch zu vernünftig und ich muss mich zwischen der Bewertung der beiden Systeme entscheiden, mit mir selber in Verhandlungen treten. 

"In den beiden Jahren dort waren meine Noten nicht so gut — oder manchmal auch nicht so schlecht —, wie sie hätten sein können."
Ja. Noten sind nicht Alles. Es gibt viele andere Faktoren, die für Glück und Zufriedenheit und Erfolg im Leben genau so wichtig oder vielleicht wichtiger sind.

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