Montag, 5. September 2016

Zum gegliederten Schulwesen vor dem Hintergrund der mehr oder weniger aktullen Schulstrukturdebatte

Gedanken
zum Vortrag von Prof. Dr. Dieter Neumann, Universität Lüneburg,
"Zum gegliederten Schulwesen vor dem Hintergrund der aktuellen Schulstrukturdebatte",
  • welcher allerdings schon aus dem Jahre 2007 stammt,
  • aber vielleicht trotzdem von Interesse ist,
  • weil zu Beginn des neuen Schulahres wieder so allerlei zum Thema Schule in der Presse kommt, u.a. im SPIEGEL.
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Der Vortrag von Prof Neumann, gehalten vor LehrerInnen:

»In der aktuellen Systemdebatte wird Kraft und Zeit vergeudet, weil viele der in diesem Rahmen aufgestellten Behauptungen ohne jede wissenschaftliche Grundlage sind.
Der schon seit 1848 in Deutschland zu hörende Ruf nach einer Einheitsschule hat den Charakter eines Widerholungskreises in einer Endlosschleife. «

Kommentar:
  • Ja, da kann man nur zustimmen, was die Endlos-Schleife betrifft. Die Gelehrten werden sich NIE einig darüber sein, was eine gute Schule ist, was eine gute Pädagogik ist. Das ist auch gar nicht möglich, weil sie verschiedene persönliche Grundeinstellungen haben und dadurch auch verschiedene Vorstellungen von guter Schule und guten LehrerInnen. Es gibt nicht DIE eine gute Schule, Schulart, Lehrkraft.
  • Jeder Professor (und vielleicht auch manche Professorin) wird behaupten, dass die Thesen DER KollegInnen, die nicht der eigenen Meinung sind, „ohne jede wissenschaftliche Grundlage“ seien. - Selbstverständlich sind nur die EIGENEN Thesen "wissenschaftlich fundiert", wer anderer Meinung ist, der ist ein Quacksalber (oder eine Quacksalberin). –
  • Bei Prof. Neumann fehlt allerdings der Zusatz, dass die eigenen Thesen von den neuesten Erkenntnissen der Neurobiologie bestätigt werden. – Dieses Argumentations-Muster gehört eigentlich aktuell immer noch unbedingt in jeden Aufsatz.Ohne dieses Argument geht gar nichts.
»Die Diskussion passt allerdings gut in die aktuelle Hektik einer Dauerreformbetriebsamkeit, in der ständig nach Veränderung und nach Neuem verlangt wird. Das ständig kommentierende Dauerreflexionspersonal hasst die Ruhe und liebt die Hektik. Dabei hat sich die Beweispflicht umgekehrt: Musste sich früher das Neue gründlich legitimieren, so ist heute stets das Alte beweispflichtig.«

Kommentar:
  • Ja, da ist etwas dran.
    Und es gilt aber auch, was der Apostel Paulus vor (fast) 2000 Jahren an die Thessalonicher schrieb:
  • „Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch. Den Geist dämpfet nicht, die Weissagung verachtet nicht; prüfet aber alles, und das Gute behaltet. Meidet allen bösen Schein.“
  • Doch ja, diese dauernde Prüferei kann im Schul-Alltag schon nervig sein, da kann man Prof. Neumann wohl nur zustimmen. Andererseits: Manche ProfessorInnen werden nun mal dafür bezahlt, dass sie dauernd prüfen und evaluieren. - Diese müssen für ihr Geld ja auch etwas tun.
  • Trotzdem bleibt die Wahrheitsfindung schwierig, denn - wie die BuddhistInnen manchmal zu sagen pflegen: Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr.

»Operiert wird mit fehlerhaften Vorstellungen über die mögliche Optimalität eines Systems. Tatsächlich aber leben wir in einer Welt der Begrenzung. Die Vorstellung der Optimalität beruft sich auf das philosophisch aufklärerische Menschenbild und die dazugehörige Idee eines unablässigen Fortschritts bis hin zu einem finalen Endzustand.
Dieses Bild aber gehört zum politisch-ästhetischen System und nicht zu dem der Wissenschaften. Das moderne naturwissenschaftliche Menschenbild zeigt dagegen Grenzen auf, verweist auf Statik, wo andere nur Dynamik sehen wollen.«

Kommentar:
  • Ja. Der Gedankengang ist zutreffend. -
  • Allerdings nun anzunehmen, „das moderne-naturwissenschaftliche Menschenbild“, das auf Statik verweise, sei fehlerlos und unwandelbar und das einzig wahre und endgültige, ist wenig mehr als eine Meinung oder eine Hypothese und hat mit Wissenschaft wohl ebenso wenig zu tun. Siehe oben: „Ich bin wissenschaftlich, die Andersmeinenden nicht.“ Hybris? 

»Das mehrgliedrige Schulsystem ist ein langsam gewachsenes Element der deutschen Bildungskultur. Es ist über 150 Jahre alt und hat bislang alle kritischen Phasen der deutschen Geschichte überlebt.«

Kommentar:
Was für sich genommen und alleine natürlich kein Argument wäre.
Denn:
a) Andere Bildungssysteme in anderen Kulturen (z.B. das konfuzianische) hatten vermutlich ebenso lange oder länger „überlebt“.
b) Inzwischen leben wir in einer globalisierten Welt und müssen und damit auseinandersetzen.
c) „Prüfet aber alles und das Gute behaltet“, siehe oben.
»Ein Grund für seine große Beharrungskraft erklärt sich wohl aus der Tatsache, dass es sich auf der Basis praktischer Erfahrung herausgebildet hat. In der sog. "Schulmänner-Pädagogik" zwischen 1820 und 1850 wurden überspitzte Visionen einer unbegrenzten Bildsamkeit des Menschen ernüchtert und mit der Erfahrung konfrontiert, dass Menschen unterschiedlich schnell oder langsam, enger oder breiter und oberflächlicher oder tiefgründiger lernen. So entstand das Etikett von der "begabungsgerechten Schule", in der jeder nach seinen Möglichkeiten gefördert werden sollte.«


Kommentar:
  • Okay, kann man erst mal so stehen lassen.
  • Die Frage ist dann weitergehend: Welche Schlussfolgerungen ziehe ich heute daraus? Und: Gibt es noch für andere Kriterien, die in einer Schule wichtig sein könnten, abgesehen von schnell/langsam, eng/breit, oberflächlich/tiefgründig? (Da wäre wohl Einiges zu nennen). 

»Die moderne psychologische Anlageforschung bestätigt heute das alte Erfahrungswissen. Die Zwillings- und Adoptionsstudien vermelden übereinstimmend einen hohen Anlagegrad bei den Merkmalen Intelligenz und Persönlichkeitsstruktur. Der Anteil liegt viel höher als die gerne verbreitete 50:50-Variante. Der Korrelationskoeffizient beim Merkmal Intelligenz liegt bei über 70 Prozent.


Kommentar:
  • Nein, das ist Bluff, unredlich und gehört sich nicht: Wieder diese potiemkische Argumentationsweise mit den Worten „modern“, „psychologisch“, „die“ Studien, „die“ Anlageforschung, „das“ Erfahrungswissen. – Das ist nur die halbe Wahrheit, denn da gibt es so keine! fachliche Übereinstimmung.

 »Bestätigt werden diese Grundlagenstudien durch Forschungen des Max-Planck-Instituts für psychologische Forschung. Die Untersuchungen LOGIK und SCHOLASTIK ergaben, dass sich Kinder im Erwerb geistiger Kompetenzen schon früh in Geschwindigkeit, Menge und Qualität unterscheiden und diese Unterschiede langfristig erhalten bleiben. Auch massive Lernförderungsbemühungen konnten die Begrenzung der individuellen Lerndomänen nicht aufheben und erzeugten sogar dysfunktionale Wirkungen.«

Kommentar:
 Ja. So weit Zustimmung erst einmal.
»Eine zentrale Behauptung der Einheitsschulbefürworter [...]

Kommentar: 
  • Das Wort „Einheitsschule“ ist in diesem Kontext kein wisseneschaftlicher Begriff, sondern  ein politisch-ideologischer Kampfbegriff: Nichtssagend, irreführend und gehört sich nicht für einen Wissenschaftler. Zumindest nicht, wenn er einen öffentlichen und wissenschaftlichen Vortrag hält. - Zuhause am Küchentisch oder unter KollegInnen beim Bier: Okay, gerne. Der Wahrheitsfindung dient das aber nicht.
»[...] ist ohne jeden wissenschaftlichen Beweis: Eine Leistungsüberlegenheit gemischter Lerngruppen gegenüber homogenen Lerngruppen ist weder aus den PISA-Daten herauszulesen noch empirisch belegt. Die wenigen Studien zu diesem Problem (Baumert/Köller, Heller, Rossbach) kommen übereinstimmend zu gegenteiligen Ergebnissen. In diesem Zusammenhang ist es auch bemerkenswert, dass in der Magna Charta der 68er Bildungsreform, dem Zentralgutachten des Deutschen Bildungsrates "Begabung und Lernen" eine solche Behauptung nicht zu finden ist. Obwohl der Tenor dieses Gutachtens in Richtung Gesamtschule geht, lässt der damals führende Lerntheoretiker Heckhausen keinen Zweifel an der Vorteilhaftigkeit "leistungseinheitlicher Lerngruppen". Die Legitimation für ein integriertes System zielt allein auf Effekte des sozialen Lernens.«

Kommentar: 

  • Ja, kann man auch erst einmal so stehen lassen. Die Darstellung der "Pluralität der Gesamtgesellschaft" in einer Schule IST ein politisches Ziel im Rahmen einer "antikapitalistischen Strukturreform" des Bildungswesens.
  • Und , hier liegt wahrscheinlich der entscheidende Punkt des Vortrags:
    „68er Bildungsreform“/ „Richtung Gesamtschule“/ „Die Legitimation für ein integriertes System zielt allein auf Effekte des sozialen Lernens.“
  • Basis des Vortags scheinen NICHT Erkenntnis, Wissenschaft, Wahrheit zu sein, sondern die Verteidigung, Rechtfertigung, Apologie EINES bestimmten Weltbildes und Bildes von Schule.
  • Das ist schon okay, denn jeder darf und soll seine eigenen Vorstellungen haben, sie vortragen, mit Anderen darüber diskutieren, um eine Mehrheit in der demokratischen Gesellschaft zu überzeugen und für sich zu gewinnen.
  • Das KANN man jedoch auf redliche Art und Weise tun - oder auf propagandistische; lautsprecherisch oder in leisen Tönen; mit oder ohne rhetorische Tricks; mit richtigen oder umstrittenen oder gar falschen Daten… - Jede/r auf seine persönliche Art du Weise, an seinem Ort.
  • Ob man sich an der Uni oder im Bierzelt befindet macht einen Unterschied. Ob man vor seiner Stamm-Zuhörerschaft auftritt, ob man z.B. vor der Konrad-Adenauer-Stiftung oder vor der Rosa-Luxemburg-Stiftung spricht,  wird sich selbstverständlich auf die Art der Argumentation auswirken.
  • Ja, Schul-Politik ist IMMER auch Politik. Ob es nun eine „antikapitalistische Strukturreform des Bildungswesens“ geht oder eine „prokapitalistische Strukturreform des Bildungswesens“. –
  • „[…] weg vom linken, rotgrünen, verseuchten 68er-Deutschland, das manchmal auch leicht versifft ist […]“ ist ebenso EIN „politisches Ziel“ wie „“hin zu einem xyz Deutschland“. 

»In der aktuellen Strukturreformdebatte versuchen die Einheitsschulbefürworter [zum Begriff: siehe oben] , den schlechten Leistungsstand der bestehenden integrierten Gesamtschulen zu verschleiern. Verschiedene Studien, vor allem in Nordrhein-Westfalen, offenbarten einen Wissensvorsprung von Realschülern gegenüber Gesamtschülern am Ende des 10. Schuljahrs von etwa zwei Schuljahren und gegenüber Gymnasiasten von mehr als zwei Schuljahren.«


Kommentar:
  • Ja, das ist sachlich richtig. Auch DIE aktuellen empirischen Bildungsforscher, die alles prüfen müssen und trotzdem oder deshalb (?) manches ändern möchten, sagen: In der Regel sind in leistungshomogenen Gruppen die schulischen Erfolge (also das, was in den Schultests gemessen wird) besser als in heterogenen Lerngruppen. Das ist die [halbe] Wahrheit.
  • Aber, sagen sie: Unter bestimmten genau zu beschreibenden Bedingungen(!) haben sie die gleichen oder bessere Ergebnisse und zugleich können weitere gute Ziele erreicht werden (z. soziales Lernen, selbstständiges Lernen…).
  • (Sagen sie, die Empiriker.) Die – politische – Frage bleibt durch die Empirie allerdings weiterhin unbeantwortet: Welche Lernziele WILL die Gesellschaft mehrheitlich mit ihrer Schule und in ihren Schulen erreichen?
»So gilt es heute, das bereits Entzauberte wieder zu verhüllen, weshalb der Begriff Gesamtschule gemieden und durch Etikette wie Gemeinschafts-, Einheits-, Regional- und Stadtteilschule ersetzt wird.«


Kommentar:
  • Ja, das ist teilweise auch etwas dran.Manche Menschen verhüllen schamhaft, defensiv und ohne guten! Grund bestimmte Begriffe.
  • Allerdings: Wer im Glashaus sitzt, und selber Begriffe wie „Gesamtschule“ und „Gemeinschaftsschule“ durch den Begriff „Einheitsschule“ ersetzt, sollte nicht mit Steinen werfen. - Sie fallen unmittelbar auf ihn selber zurück inklusive der Scherben. 

»Untersuchungen haben ergeben, dass leistungsschwache Gesamtschüler stärker psychisch belastet sind als leistungsgleiche Schüler im gegliederten Schulwesen. Die Rede ist von einer "selbstwertschützenden" Funktion der Hauptschule, die vor Stigmatisierungen schützt. Hier gibt es geringere Bezugsgruppenprobleme und eine bessere "Soziale Beheimatung". In der aktuellen Debatte ist dagegen nur von "deklassierenden Wirkungen" dieser Schulform die Rede.«

Kommentar:

  • Ja, das ist eine sehr wichtige und ernst zu nehmende Erfahrung aus der ersten Zeit der baden-württembergischen Gesamtschulen (es gab 7), die ich nur bestätigen kann: Wenn SchülerInnen und Eltern das Gesamtschul-Modell SO verstehen (oder es ihnen so versprochen wird), dass jede/r dort eigentlich Abitur machen kann und wird, dann ist das natürlich a) Unfug und b) werden die betreffenden SchülerInnen und Eltern ggf. ein sehr böses Erwachen erleben, wenn sie mangels entsprechender Noten oder Punktzahlen die Schule dann doch nach Klasse 9 mit einem Hauptschulabschluss verlassen müssen und sich nun - in manchen Fällen- ganz besonders als Versager fühlen. -
  • In einer reinen Hauptschule, wo alle SchülerInnen nach der neunten Klasse gemeinsam die Schule verlassen und andere Wege gehen, tritt dieses Phänomen weniger auf.
  • Leider tut Prof Neumann in diesem seinen Vortrag so, als gäbe es ein solches Versprechen in seinen „Einheitsschulen“, also „Abiture für alle, die in Klasse 5 diese Schule betreten“.
  • Und dieses Phänomen tritt auf der ganzen Welt deshalb NICHT auf, weil es von den USA bis China von Klasse 1-9 oder zumindest 5-9 erst einmal eine gemeinsame Schule gibt, die von allen SchülerInnen gemeinsam betreten und in Klasse 9 gemeinsam wieder verlassen wird. - Erst DANACH werden dann, je nach Leistung, die verschiedenen Wege beschritten.
  • Manchmal kann man vielleicht auch von anderen Ländern etwas lernen und muss das Rad nicht immer neu erfinden.
»Durch die Freigabe des Elternwillens ist es in vielen Bundesländern zu einer Entwertung der Grundschulprognosen gekommen und damit zu einer Schwächung des mehrgliedrigen Schulsystems. Die weiterführenden Schulen leiden dadurch an einer zu großen Streubreite von Begabungen und kognitiven Entwicklungsständen. Eltern vertreten in der Regel keine Systemrationalität, sondern Interessen. Sie besitzen Kompetenz in "Zuneigung und Liebe", und das ist etwas anderes als eine objektive Beurteilungskompetenz.«


Kommentar: 

  • Dazu ist bestätigend zu sagen, dass es zutrifft, dass es nach dem Wegfall der Grundschul-Empfehlungen mehr Eltern als zuvor erst einmal mit einer Schulart höher probiert haben, also Realschule statt Hauptschule/ Gymnasium statt Realschule oder gar: Gymnasium statt Hauptschule. –
  • Allerdings in einem VIEL geringeren Maße als erwartet. – Wohl auch auf Grund der weiterhin existierenden Beratung durch die BeratungslehrerInnen in den Grundschulen.
  • Den Satz „Eltern vertreten in der Regel keine Systemrationalität“ könnte man von der Wortwahl her wohl als Beleidigung verstehen,
    der Satz „Sie besitzen Kompetenz in Zuneigung und Liebe“ ist wohl unter Zynismus einzuordnen.
  • Natürlich möchten alle Eltern, dass ihr Kind einen möglichst guten und hohen Schulabschluss erreicht und später einen Beruf findet, der ihrem Kind und seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht und später den dann Erwachsenen einmal ernähren kann. – So überheblich sollte ein Pädagoge über Eltern nicht reden, oder? – Bei dieser Sprachweise wird mir ehrlich gesagt ein bisschen übel. 

»Wenn man eine "freie Auswahl" anbietet, darf man sich nicht wundern, wenn plötzlich eine Rabattschlacht tobt.«

Quelle

Kommentar: 

  • „Freie Auswahl“, „Rabattschlacht“. Klingt nach Bierzelt; da wird es einem irgendwann auch gerne mal übel, wenn es mit der Gaudi zu weit getrieben wurde.
  • Den folgenden Finnland-Abschnitt und das Finnen-Bashing spare ich mir. - Da gibt es sicher Leute, die sich in Finnland besser auskennen als ich.
    »Der übliche Verweis auf Finnland, verbunden mit der Kausalbehauptung Einheitsschule gleich gute PISA-Ergebnisse, übersieht geographisch-klimatische, mentale, kulturelle und schulische Besonderheiten, die eine Übertragung auf deutsche Verhältnisse absurd erscheinen lassen. Finnlands Einheitsschule ist keine Leistungsschule, sondern ein Schonraum, weshalb die Selektion in Finnland erst nach der Schule einsetzt. [...] «

    Den Rest des Vortrags als PDF-Dokument finden Sie dann hier.

    Freitag, 5. August 2016

    DITIB und der Islamunterricht in den Schulen. WELCHEN Islam und WELCHE LehrerInnen?

     Religionsunterricht


    Siehe auch: Christliche und Islamische Religions-Verbände.

    Da die Kultuspolitik Ländersache ist, sind die Regelungen für den Religions-Unterricht in jedem der deutschen Bundeländer anders.
    1. In Brandenburg zum Beipsiel gibt es z.B. keinen konfessionellen Religionsunterricht, sondern das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (L-E-R): Seit dem Schuljahr 2008/2009 wird das Unterrichtsfach L-E-R flächendeckend in allen Klassen der Jahrgangsstufen 5 bis 10, in denen nach der Grundschulverordnung bzw. nach der Sekundarstufe I-Verordnung unterrichtet wird, angeboten.
    2. In Bremen heißt der Religionsunterricht seit 2014 "Religion". Der Unterricht im Fach Religion hat nicht die Aufgabe, zu einem bestimmten Bekenntnis oder zu einer bestimmten Religion hinzuführen und ist nicht bekenntnisorientiert. Zielgruppe ist die ganze Klassengemeinschaft: „Das Fach Religion wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler, ungeachtet ihrer jeweiligen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen. Es bietet auch jenen, die keinen ausgeprägt religiösen Hintergrund haben bzw. sich in Distanz oder Widerspruch zu jeglicher Form von Religion verstehen, Erfahrungsräume und Lernchancen“.
      Siehe auch: Bremer Klausel 
    3. In Baden-Württemberg wird - anders als in Brandenburg und Bremen - die Klassengemeinschaft zum Religion-Unterricht aufgeteilt.
     

    In der Landesversfassung heißt es:  
    1. Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen öffentlichen Schulen.
    2. Der Religionsunterricht wird, nach Bekenntnissen getrennt, in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft von deren Beauftragten erteilt und beaufsichtigt. 
    3. Für eine religiöse Minderheit von mindestens acht Schülern an einer Schule ist Religionsunterricht einzurichten. 
    4. Wird für eine religiöse Minderheit von weniger als acht Schülern religiöse Unterweisung erteilt, hat der Schulträger den Unterrichtsraum unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
      [Ich nehme an, Schülerinnen werden auch mitgezählt.]

      In der Praxis
      wird das - grob gesagt - dann so gehandhabt, dass wenn "Religions-Unterricht" im Stundenplan steht, (das sind meistens 2 Stunden pro Woche), die Klassengemeinschaft nach Bekenntnissen getrennt wird. Es gibt dann z.B. - in getrennten Räumen und zur gleichen Uhrzeit parallel:
    • evangelischen Religions-Unterricht unter Aufsicht der evangelischen Landeskirche und mit einer evangelisch getauften LehrerIn,
    •  katholischen Religionsunterricht unter Aufsicht der katholischen Kirche und mit einer katholisch getauften Lehrkraft,
    • Ethik-Unterrricht unter Aufsicht der Schulverwaltung  
    • und islamischen Religionsunterricht mit einer muslimischen Lehrkraft unter Aufsicht von....? Ja - von wem? 
    •  (Auch jüdischer Religions-Unterricht ist möglich, aus den bekannten Gründen mangelt es aber in Deutschland meistens an jüdischen Schulkindern.)
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    Quelle

    Die Begründung für die Forderung nach islamischen Unterricht in den Schulen Baden-Württembergs und auch z.B. Bayerns ist dann:
    Lieber Islam-Unterricht in der Schule unter Aufsicht der deutschen Behörden als ohne Kontrolle in einer fundamentalistischen islamistischen Hinterhof-Moschee, die vielleicht von der türkischen Regierung oder von saudi-arabischen islamistischen Salafisten und Wahabiten finanziert wird.
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    Quelle und Fortsetzung und bteiligte Islam-Verbände

    Im Schuljahr 2015/2016 standen in BW insgesamt 69 Schulen fest, die den Islamischen Religionsunterricht anbieten und über 60 Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Fach unterrichten. Erstmals sind seit diesem Schuljahr 2015/2016 auch drei Gymnasien dabei, die den Islamischen Religionsunterricht anbieten (siehe Standortliste im Anhang).
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    Bassam Tibi ist dagegen



    Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi warnt:
    Die Politik müsse aufpassen, dass nicht Islamisten den Weg ins Klassenzimmer finden.

    Quelle

    Bassam Tibi vertritt einen Islam,
    der die Vielfalt der Religionen und der menschlichen Lebensweisen anerkennt. Er sieht sich damit in der Tradition der islamischen Aufklärung, die ihren Höhepunkt im 12. Jahrhundert hatte. "Die wurde getragen von Philosophen wie
    Das ist mein Islam."


    Wer mit Bassam Tibi spricht,
    hört viele lehrreiche Geschichten aus seinem Forscherleben. "Ich bin Orientale. Und Orientalen beantworten eine Frage mit einer Geschichte."

    Mit 18 Jahren kam er als Student aus Syrien nach Deutschland.
    1962 war das. Seitdem hat der Politikwissenschaftler an Universitäten auf dem halben Globus gelehrt und geforscht. In Deutschland zunächst in Frankfurt, dann in Göttingen. Auch mit deutschen Politikern hatte er oft zu tun.

    Einen Moscheeverband 
    oder ähnliches kann Tibi nicht vorweisen. Seine Idee ist der Euro-Islam: ein säkularer, freiheitlicher und aufgeklärter Islam.

    Auf der Suche nach einem Imam. 
    Auf die Frage, ob es in Deutschland Moscheen gibt, die er gerne besucht, antwortet Tibi wiederum mit einer Anekdote. Er habe einmal versucht, "einen deutschen Imam zu finden, der so ähnlich denkt wie ich."
    "Ich bin rumgereist damals in der ganzen Bundesrepublik und habe nach Imamen in Moscheen gesucht. Wirklich gesucht und gesucht und nichts gefunden. Und zum Schluss kamen wir zu dem Ergebnis: Wir haben den Imam der Moschee von Marseille, er heißt Bencheikh. Er sprach toll. Demokratisch, laizistisch, liberal. Und man hat mir gesagt, können Sie uns nicht einen Deutschen holen? Ich habe gesagt, den gibt es nicht. Leider." 

    Tibi fühlt sich mit seinem Islamverständnis zwar nicht einsam in Deutschland, aber offenbar doch recht allein.

    Tibis Kritik an DITIB
    Für Bassam Tibi ist nur ein säkularer und freiheitlicher Islam akzeptabel.
    • Deshalb ist er sich ganz sicher, wer den Unterricht nicht erteilen sollte: der türkisch-islamische Verband Ditib. 
    "Ditib hat Imame, die einen solchen Islamunterricht erteilen würden. Die werden von der Türkei bezahlt. Die Türkei ist heute für mich kein demokratisches Land. Und einen AKP-Islam als Islamunterricht zu verkaufen, das ist strikt abzulehnen."
    Nicht nur den Einfluss der türkischen Regierungspartei AKP fürchtet der Politikwissenschaftler. 
    • Auch die Muslimbrüder lehnt er als Lehrer ab, eine gemäßigt-islamistische Bewegung, die vor allem im Nahen Osten aktiv ist. 

    Aber wer dann könnte den schulischen Islamunterricht erteilen? 
    Tibi sagt, nur ein (1!) islamischer Theologe in Deutschland sei in der Lage, Lehrerinnen und Lehrer adäquat auszubilden: Mouhanad Khorchide von der Uni Münster.

    Doch der ist unter den Islamverbänden sehr umstritten, wegen seiner liberalen Ausrichtung. Herr Khorchide wird blockiert von allen Ecken. Und selbst, wenn er nicht blockiert wird: Was kann ein Professor mit einem kleinen Institut für ein Land mit 80 Millionen und mit einer islamischen Minderheit von Millionen? Herr Khorchide, ein toller Kerl, aber er kann nicht so viele Lehrer ausbilden, die Kinder von 6,5 Millionen Muslimen hier in einem aufgeklärten Islam unterrichten."
    Und wenn es am qualifizierten Personal mangelt, meint Tibi, sollte man auf den Islamunterricht besser erst einmal verzichten. "Unter den jetzigen Bedingungen halte ich einen Islamunterricht für kontraproduktiv im Hinblick auf Integration. Ein Islamunterricht, der unter die Hände der Muslimbrüder und der AKP kommt, wird genau das verhindern, was wir wollen: Integration. Wollen wir das?" [Quelle: Deutschlandfunk] Quelle1
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    "Die Behauptung, dem Islam fehle die Aufklärung
    ist auch ein uraltes Klischee. Der Stolz auf die Aufklärung, wenn er sich inzwischen allerdings auch etwas gelegt hat, verleitet immer wieder dazu, der westlichen Kultur gegenüber dem Islam einen erheblichen Vorsprung zuzumessen. In der islamischen Geschichte hat es zwar keine flächendeckende Säkularisierungsbewegung gegeben, dies aber deshalb nicht, weil Sakrales und Säkulares im Islam bereits nebeneinander existierten. Auch war das Kräfteungleichgewicht keineswegs immer so wie wir es heute haben.

    Die islamische Wissenskultur war sehr lange Zeit der westlichen oder überhaupt der außerislamischen weit überlegen. Das hat nicht zuletzt zu tun mit den medialen Vorsprüngen, die man hatte. Es gab in der islamischen Welt beispielsweise schon seit dem achten Jahrhundert die Herstellung von Papier. Diese ermöglichte wiederum, immense Massen von Texten zu verbreiten, wovon im gleichzeitigen Westen keine Rede sein konnte. Es ist sicher mehr als das Hundertfache des im Westen an Schriften Vorhandenen was da an arabischen Texten in Umlauf gebracht worden ist. Bis zum 15. Jahrhundert war man im Westen noch auf Pergament angewiesen, was sehr kostspielig und schwer zu bekommen war."
    [Angelika Neuwirth]
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    Weniger Kritik an DITIB
    hat die Tübinger Soziologin Theresa Beilschmidt
    die über Ditib-Moscheegemeinden in Deutschland im Jahre 2015 ihre Doktor-Arbeit schrieb. Dazu hattesie u.a. ein Dreivierteljahr am Leben von drei Ditib-Moschee-Gemeinden in Hessen teilgenommen: Kochen, reden, interviewen, beten... . - Meist auf Deutsch, aber auch Arabisch und Türkisch. "Die Gemeinden haben ein großes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und lokaler Autonomie. Sie suchen die Integration in ihrer deutschen Umgebung" sagte sie dem Schwäbischen Tagblatt.

    Ihre drei untersuchten Gemeinden hätten die DITIB gar nicht so sehr gebraucht. Alle drei, sagte sie, haben gute Kontakte zur örtlichen Gemeinde und den christlichen Kirchen-Gemeinden vor Ort. Die weltlichen Vorsteher der Moscheegemeinden seien in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert und nach Deutschland hin orientiert. Im Alltag seien der Dachverband von DITIB in Köln und die Religionsbehörde Diyanet aus der Türkei weit weg. -  Die Imame, also die türkischen Theologen, die aus der Türkei für ein paar Jahre nach Deutschland an die DITIB-Moscheen versetzt werden, stellten die Verbindung der Gemeindemitglieder zur Religion her, die ihnen eine kulturelle und spirituelle Heimat biete.
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    DITIB-Moschee in Berlin Neukölln - Mit türkischer Fahne am Minarett.

    Die ehrenamtliche Mathematik-Studentin,
    die uns BesucherInnen die Moschee zeigt, ist gekleidet wie andere Berliner Studentinnen auch. Für ihre Erklärungen sitzt sie in der Moschee auf dem Boden, dort wo auch die Männer sitzen.


    Sie berichtet, dass die Imame,
    die für jeweils etwa 3 Jahre aus der Türkei an der Moschee arbeiten, in der Regel kaum Deutsch sprechen und sich deshalb mit den in Berlin aufgewachsenen jungen muslimischen BerlinerInnen kaum verständigen können und daher auch keinen Dialog führen können. - Bis die Imane selber ihren eigenen Kultur-Schock in Berlin überwunden haben, ist ihre Zeit in Deutschland oft schon wieder zu Ende.

     Als gegen 17 Uhr die Gebetszeit beginnt, 
     bleibt die Studentin an ihrem Platz sitzen, nur zieht sie jetzt ein dünnes Tuch aus ihrer Tasche und legt es locker auf ihren Kopf. Vorne in der Moschee, vor der Gebetsnische, stehen und beten jetzt der Imam der Gemeinde und einige alte und auch junge Männer. Den Imam können wir BesucherInnen nicht verstehen. Türkisch? Arabisch? Ob ihn die jungen Männer verstehen? - Nun gut, es ist noch nicht allzu lange her, dass die katholischen Priester die Messe auch in Deutschland in lateinischer statt in deutscher Sprache lesen mussten, was auch kaum jemand verstand. - Und Papst Benedikt hat es gestattet, dass die katholischen Priester in Deutschland das auch heute wieder dürften... .

    Vor der Moschee
    sind u.a. muslimische Diplomaten begraben, die zur Zeit von Kaiser Wilhelm in Berlin arbeiteten und dort gestorben sind. - Es ist wohl der älteste muslimische Friedhof Deutschlands.

    Die Problematik
    Das zentrale Wochen-Gebet findet in allen Moscheen der Welt am Freitag statt. In allen DTIB(!)-Moscheen wird dabei auf türkisch ein zentraler Text vom verlesen, der von der Religionsbehörde in der Türkei (gegründet 1924!) verfasst wurde.
    Die Aufgabe der Behörde war natürlich 1924 (unter Atatürk) eine komplett andere als heute (unter Erdogan). - Der Artikel in wikipedia ist lesenswert.
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    Sonntag, 17. Juli 2016

    ADHS, Ritalin, Biologie und Psychologie

    Quelle


    Ich gestehe:
    Ich habe viele Jahre lang "Matrize" mit tz geschrieben. Also: "Matritze". Wie "Matratze".
    So kann mann/frau sich manchmal im Leben täuschen. Peinlich! (Oder?)

    Ich gestehe außerdem:
    Trotz Studium in Pädagogik habe ich fast ebenso viele Jahre gedacht und geglaubt, ADHS könne man "haben". - Also z.B.: "Kevin hat eine Aufmerksamkeit-Defizit-Störung (hyperaktiv)". Das meint: Er hat ein Defizit. Er kann sich nicht konzentrieren. Er kann seine Aufmerksamkeit nicht - also meistens in der Schule - er kann seine Aufmerksamkeit nicht auf den Unterrichts-Stoff und die Lehrkraft richten. Statt dessen zappelt er herum und stört den Unterricht.  Zappelphilipp-Syndom. (Oder Zappel-Philip? Oder Zappel-Phillip?) -

    O.k.: Kevin zappelt. Kevin ist hyperaktiv. Kevin hat  ein Defizit. ADHS. Da muss man etwas gegen tun. Aber was?

    Der Zappelphilipp.
    Zeichnung von Heinrich Hoffmann 1844
    "Mittlerweile stellen hyperkinetische Störungen wie ADHS zusammen mit Störungen des Sozialverhaltens die häufigsten psychischen Störungen im Kindesalter dar." [a.a.O.]

    "(ADHS) gehört zur Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (nach ICD-10: F90–F98). Sie äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Selbstregulation und Impulsivität sowie manchmal auch durch ausgeprägte körperliche Unruhe (Hyperaktivität). [wikipedia]

    "Methylphenidat (kurz: MPH; Handelsname u. a. Ritalin) ist ein Arzneistoff mit stimulierender Wirkung. Er gehört als chemisches Derivat zu den Phenylethylaminen. Methylphenidat findet bei der medikamentösen Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) Anwendung." [wikipedia
     

    • Ja, Ritalin wirkt oft. ADHS geht dann weg, wenn Kevin es nimmt.
    •  So wie ein Schlafmittel wirkt. Die Schlaflosigkeit geht weg, wenn man es nimmt.

    Quelle
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    Aber warum zappelt Kevin?
    Das Defizit liegt nicht bei ihm, in ihm, in seinen Genen, in einer Infektion.
    Nein, mit seinem Zappeln äußert er ein (befürchtetes) Defizit von außerhalb laut- und bewegungsstark:

    Ich, Kevin möchte etwas haben, das ich nicht bekommen habe,
    das mir aber zusteht. Das mir schon als Baby und Kleinkind zustand. Und deshalb mache ich aktiv auf mich aufmerksam. Ich "störe", ich rufe in den Unterricht, ich laufe herum: "Hallo, hier bin ich!" / "Übersieh mich nicht!" / "Ich habe Angst, ich werde vergessen und übersehen." / "Ich möchte Aufmerksamkleit bekommen." -

    Kevin ist wahrscheinlich schon als Baby etwas in Fleisch und Blut über gegangen: Wenn ich von meinen Eltern und Ernährern, von denen buchstäblich mein Leben viele Jahre lang abhing, die Aufmerksamkeit und die Zuwendung bekommen will, die ich als Kind durch meine Existenz verdient habe und zum Überleben brauche, dann muss ich ordentlich strampeln und mich laut bemerkbar machen.
    Und wenn ich das nicht tat, dann musste ich zu lange warten und geriet in panische Angst, dass ich verlassen wurde, alleine auf der Welt bin, hilflos bin, sterben muss...

    Ich weiß das alles nicht, ich kann das nicht formulieren, ich kann ja noch nicht sprechen.
    Und wenn ich Jahre später ein Schüler sein werde, ein Jugendlicher, dann werde ich das immer  noch nicht formulieren können, denn niemand kann sich an das bewusst erinnern, was bis etwa zum 3. Lebensjahr geschehen ist. Aber das Geschehen ist da. Es ist im grünen Holz gewachsen. Wie bei einem Baum, der im Sturm aufwuchs. Er bleibt schief, auch wenn kein Sturm mehr weht und wenn der Baum schon groß ist.
     Diese Angst aus der Kindheit steckt tief in Kevin drin, in den Teilen seines Gehirns, in denen Emotionen und überlebenwichtige Funktionen gespeichert sind. - Und sie werden sein Leben lang wirksam sein. Das psychische Geschehen hat biologische Spuren hinterlassen.

    Aus Psychologie wurde Biologie, und aus Biologie wird wieder Psychologie.

    Der Unterschied zur Pflanze:
    Kevin kann denken, wenn er "groß" geworden ist. Er kann sich erklären lassen, warum etwas schief läuft. warum er "schief" steht, obwohl kein Sturm mehr weht. Warum er im Unterricht zappelt und nach Aufmerksamkeit schreit, obwohl die LehrerInnen ihn auch ohne Zappeln wahrnehmen würden - das kann er dann verstehen und begreifen, "lernen". Wenn es ihm jemand erklärt. Vielleicht kann ihm Ritalin dabei eine Zeit lang helfen, zur Ruhe zu kommen, das Geschehen zu verstehen und - vielleicht mit Unterstützung von außen - Gegenstrategien zu entwickeln, "Prothesen" zu finden, ohne dieses in der Kindheit "erlernte" und damals sinnvolle und überlebenswichtige Verhalten zu leben.

    Haben auch Erwachsene ADHS?
    Ja. Die Geschichte ist die gleiche.

    Siehe auch:
    und



    Sonntag, 10. Juli 2016

    Verkrustete Traditionen im Islam und deren Kritik und Reform von innen (und außen)

    Quelle: kulturradio rbb
    Ahmad Mansour 
    • wurde 1976 in Israel in dem damaligen kleinen arabischen Dorf Tira (heute Kleinstadt) als Sohn arabischer Israelis geboren. In seiner Schulzeit kam er in Kontakt mit einem fundamentalistischen Imam, wodurch er beinahe zu einem Islamisten wurde. Er studierte Psychologie  (1996–1999) in Tel Aviv, löste sich vom Islamismus. Nachdem er einen Anschlag miterlebt hatte, ging er 2004 nach Deutschland, setzte später sein Studium in Berlin fort. Dort arbeitet er als 
    • wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für demokratische Kultur in Berlin, 
    • ist Programmdirektor der European Foundation for Democracy  
    • und Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland. [Quelle: wikipedia u.a.] 



    Er schreibt:
    "Ich entspreche nicht dem Klischee dessen, der sich ausschließlich über rassistische Vorurteile beklagt – auch wenn ich das durchaus tue – , sondern
    • ich begrüße die Demokratie, in der ich hier lebe,
    • und ich kritisiere offen und deutlich die konfessionelle Enge der muslimischen Communities hier im Land.
    • Ich kritisiere muslimische Dachverbände wie Ditib oder den Zentralrat der Muslime,
    die behaupten, im Namen meiner Religion zu sprechen und für alle Muslime in Deutschland, was schon allein statistisch nicht stimmt.

    Ich setze mich für innerreligiöse und gesellschaftliche Reformen ein und spreche
    öffentlich darüber, dass vieles schiefläuft in den Familien, an den Schulen, in der Gesellschaft, im Umgang mit religiösem Fundamentalismus und islamischem Radikalismus. [...]"
    "Brennende Probleme der muslimischen Communities":

    "Den kritischen Muslimen wird die Debatte in Deutschland von zwei Seiten verweigert:
    1. von den offiziellen muslimischen Verbänden
    2. und von den meisten linken, grünen Milieus. -
    Das ist erstaunlich und sollte zu denken geben. In beiden Lagern weigert man sich, brennende Probleme der muslimischen Communities klar zu benennen und anzugehen.
    Diese Probleme sind, unter anderem: 
    1. Das Anwachsen eines gefährlichen Fundamentalismus,der immer mehr junge Leute in den Terrorstaat des IS zieht,
    2. das Ausgrenzen von Frauen als Menschen zweiten Ranges,
    3. die Erziehung von Kindern mit Angstpädagogik,
    4. eine Sexualfeindlichkeit, die zugleich hochgradig se­xualisiert wie tabuisiert,
    5. ein Buchstabenglaube, der den Koran nicht in seinem historischen und lokalen Kontext versteht, sondern als von Allah diktierten Text begreift.
    Tausende von Beispielen zeigen, wie unfrei und unglücklich das Kleben an diesen Vorstellungen macht." [...]
    • "Traditionelles Islamverständnis befördert sexuelle Tabus und sexuelle Gewalt. Es hat enormen Einfluss auf das Verhalten der Geschlechter zueinander.-
    Was in der Kölner Silvesternacht* passiert ist,
    hat sein Vorbild auf dem Kairoer Tahrirpatz und anderswo.

    Von der „religiösen Tradition“ zur sexuellen Abstinenz gezwungene junge Männer, greifen auf Frauen in der Öffentlichkeit zu.

    Das festzustellen ist nicht rassistisch, sondern ein Fakt.
    Wir, die Muslime, haben das Problem –
    die kritischen unter uns benennen es und brauchen die Solidarität der Demokraten im Land.

    Von der AfD, von Pegida wollen wir sie nicht, denn sie ist keine. Solange die muslimischen Verbände – ebenso wie die Grünen und Linken – leugnen,

    • dass ein traditionell patriarchalisches Verständnis des Islam den fundamentalistischen Muslimen in die Hände spielt,
    solange haben bei diesem Thema AfD und Pegida das Sagen.Die Neue Rechte pachtet das Benennen der Probleme für sich – und sie tut es auch tatsächlich: hetzend und rassistisch, statt politisch aufklärend, soziologisch klar und religionsanalytisch. [...]
    Wir kritischen Muslime sind viele. 
    Mehr als Ihr denkt. Im April 2015 habe ich in Berlin das „Muslimische Forum Deutschland“ mitgegründet. Wir streiten für einen humanistischen Islam, für eine Debatte innerhalb der muslimischen Community. Wir sind JournalistInnen, IslamwissenschaftlerInnen, wir sind SoziologInnen, PsychologInnen, Studierende. Und wir alle sind Teil dieser Gesellschaft. Traut euch, uns zuzuhören, mit uns zu diskutieren!" [Quelle und ganzer Text] 
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    Literatur:


    Warum zieht es Jugendliche in den Dschihad? Ist der Islam verantwortlich für den Terror? Und wie können wir uns dem religiösen Extremismus stellen? Bislang stehen Politik, Gesellschaft und besonders die Schulen diesen Fragen hilflos gegenüber. ... Mansour beantwortet diese Fragen mit beeindruckender Klarheit und Reflexion. Denn keiner kennt wie er beide Seiten. Bevor er den mühsamen Ausstieg schaffte, war er selbst radikaler Islamist. Jetzt arbeitet Ahmad Mansour in Berlin als Psychologe und betreut Familien von radikalisierten Jugendlichen. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen und seiner konkreten Präventionsarbeit zeigt er beeindruckend, dass eine Deradikalisierung möglich ist und plädiert für eine Reform des praktizierten Islam. [Klappentext



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    p.s.:
    Religiösen Fundamentalismus findet man ebenso bei "religiösen Communities" in anderen großen Religionen. -  Mit sich überschneidender Thematik:
    • Ausgrenzung von Frauen, z.B. für das Priesteramt in der katholischen und den christlich-orthodoxen Kirchen.
    • Buchstabenglaube, z.B. in pietistischen, evangelikalen Kreisen der evangelischen/protestantischen Kirchen
    • Angstpädagogik in einigen sog. christlichen "Sekten" mit Berufung auf Sprüche 13,24 in der Bibel: "Wer seiner Rute schonet, der hasset seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtiget ihn bald". - Drohungen mit dem Jüngsten Gericht, dem Fegefeuer, der Hölle... .
    • Sexualfeindlichkeit, wie z.B. jüngst wieder in der Württembergischen Evangelischen Landeskirche ...
    Die württembergische Landeskirche zählt zu den homofeindlichsten in Deutschland. Trotzdem hat sich ein gleichgeschlechtliches Paar in Böblingen am 25. Juni 2016 das Ja-Wort gegeben. Die Segnung eines lesbischen Paares in der evangelischen Stadtkirche St. Dionysius in Böblingen, die bereits vor zwei Wochen durchgeführt wurde, sorgt für Irritationen. Der Stuttgarter Kirchenrat Dan Peter erklärte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur "Idea", dass der Fall derzeit überprüft werde. "Die beschriebene Handlung ist mit den derzeitig gültigen Regelungen der Landeskirche nicht vereinbar", kritisierte Peter."
    •  und in anderen evangelischen "Communities" (nicht nur) in Württemberg.
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    * Kölner Silvesternacht - Ein halbes Jahr danach:

    Der 26-jährige Hassan T. und der 20-jährige Hussein A. werden zu einjährigen Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Jüngere der beiden, ein irakischer Flüchtling, Lena S. sexuell genötigt hat. Der Ältere, ein Algerier, lebt seit eineinhalb Jahren in einer Asyl­un­ter­kunft in Kerpen bei Köln. Weil er nicht eingriff, wird er wegen Beihilfe zu sexueller Nötigung verurteilt. Und wegen versuchter Nötigung, weil er Jennifer D.s Verlobten bedrohte.

    Der Urteilsspruch kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beweislage zu den sexuellen Übergriffen erschreckend dünn ist und wohl auch bleiben wird. Erst zwei Verfahren gab es dazu vor dem Amtsgericht – angesichts von 491 Strafanzeigen, angefangen von Beleidigung bis hin zu Vergewaltigung, ist das sehr ­wenig.
    In einem ersten Verfahren An­fang Mai musste der Vorwurf der sexuellen Nötigung wieder fallen gelassen werden, weil das Opfer den Angeklagten nicht wiedererkannte. Und das ist das Hauptproblem: Die Opfer erkennen die Männer, die sie bestohlen oder begrapscht haben, nicht wieder. Es war dunkel, eng, chaotisch – die Frauen wollten einfach nur weg. -

    „In den gravierendsten Fällen, also bei Vergewaltigungen, haben wir bislang keine Verdächtigen“, sagt er. Insgesamt 1.000 Stunden Videomaterial hat die „Soko Neujahr“ ausgewertet, stark ver­pixelte Aufnahmen aus der dunklen Bahnhofshalle. „Super-Recognizer“ unterstützten sie, besonders geschulte Fahnder, die auch auf schlechten Videoaufnahmen Personen erkennen können. „Die Ermittler haben sogar den Weg der Opfer durch den Hauptbahnhof nachverfolgt, und ihnen dann Videosequenzen von verschiedenen Orten gezeigt“, sagt Bremer. Doch vergeblich, die Frauen erkannten keine Gesichter.
    Wie sie sich verabredet haben, bleibt unklar
    Anfangs arbeiteten 150 Leute bei der „Soko Neujahr“, jetzt sind es noch 17. Sie werten weiterhin vor allem Handyverbindungen aus – noch immer die besten Beweise: Handys lassen sich orten, ihr Verkauf durch Seriennummern belegen. Damit lassen sich Diebstahl und Hehlerei nachweisen. Aber eben keine sexuel­len Übergriffe.
    Insgesamt laufen gegen 215 Beschuldigte Ermittlungsverfahren, in 43 Fällen auch wegen sexueller Gewalt. Nur drei Verdächtige sitzen wegen ­einer Sexualstraftat in Untersuchungshaft. Zwei Drittel der Tatverdächtigen stammen aus Nordafrika, bei der Hälfte ist der Aufenthaltsstatus ungeklärt.
    Seit Jahren kümmert sich bei der Kölner Polizei ein speziell geschultes Team um das „Maghrebmilieu“, sammelt die Daten nordafrikanischer Straftäter in einer eigenen Datei namens „Nafri“. Was viele erstaunte: Es gibt keine Überschneidungen mit den Tätern der Silvesternacht. Das heißt, die meisten Beschuldigten stammen nicht aus der Kölner Antänzerszene, sie sind erst im Herbst oder Winter 2015 nach Deutschland eingereist. An Silvester kamen sie aus verschiedenen Städten Nordrhein-Westfalens nach Köln.
    Wie sie sich verabredet haben, ist immer noch ein Rätsel. Auch im Verfahren von Jennifer D. und Lena S. konnte nicht geklärt werden, ob und woher die Angeklagten sich kannten und was sie auf die Domplatte geführt hatte.
    Es gibt bis heute keine Hinweise auf ein organisiertes Verbrechen oder auf einzelne Drahtzieher. Alles deutet darauf hin, dass sich die Männer spontan zu Gruppen zusammenschlossen. Um mehr zu erfahren, werten die Ermittler auch soziale Medien aus, lassen Chatverläufe aus dem Arabischen übersetzen. ... [Quelle und ganzer Text]




    Donnerstag, 7. Juli 2016

    Koran's Spirit of Gender Equality -

     
    Adam and Eve: Gender Equality
    The concept of gender equality is best exemplified in the Quranic rendition of Adam and Eve. The Quran states that both sexes were deliberate and independent and there is no mention of Eve being created out of Adam's rib or anything else. Even in the issue of which sex was created first is not specified, implying that for our purpose in this world, it may not matter.[Der ganze Artikel]
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    Lily Zakiyah Munir
    The Koran's Spirit of Gender Equality
    Lily Zakiyah Munir, Head of the "Center for Pesantren and Democracy Studies", Indonesia, argues that it is not the Koran, but social convention of patriarchal cultures that deprive women in Islamic countries of their equal social status
    Lily Zakiyah Munir, Head of the "Center for Pesantren and Democracy Studies", Indonesia, argues that it is not the Koran, but social convention of patriarchal cultures that women in Islamic countries are deprived of equal social status.... [Der ganze Artikel]

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    Maria, die Mutter Jesu, im Koran

    "Maria wird im Koran eine enorme Aufmerksamkeit entgegengebracht. 
    Sie ist die einzige Frau, die namentlich erwähnt ist. Von den 114 Suren, sind allein ihr und ihrer Sippe `Imraan jeweils eine eigene, ganze Sure gewidmet (Sure 19, Maryam; Sure 3, al-`Imraan, siehe unten).
    An der Verkündigungs- und Geburtsgeschichte Marias wie auch Jesus sind deutliche Parallelen zum Lukas-Evangelium (und zum apokryphen Jakobusevangelium) zu erkennen.
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    Apokryphe Schriften sind religiöse Schriften jüdischer bzw. christlicher Herkunft aus der Zeit zwischen etwa 200 vor und 400 nach Christus, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden.
           Das sogenannte Protoevangelium des Jakobus ist eine frühchristliche Schrift, die vermutlich um die Mitte des 2. Jahrhunderts [also später als die 4 Evangelien, die wir heute im Neuen Testament finden]  entstanden ist. 
    Der Name leitet sich vom griechischen prōtos „das erste“ oder „Anfangs-“ her und kann mit „Vorevangelium“ übersetzt werden.
    Entgegen dem sonstigen Sprachgebrauch von Evangelium als Darstellung des Lebens Jesu ist das Protoevangelium ein Marienleben. Es greift über die Geburt Jesu hinaus und erzählt ausführlich von der Herkunft Marias, der Mutter Jesu. So kommt es dem Wunsch nach zusätzlichen Berichten über die Mutter Jesu – über die spärlichen Stellen in den vier kanonischen Evangelien hinaus – entgegen. In der gesamten Kirche war die Schrift sehr populär; sie wurde aber nicht in den Kanon der biblischen Schriften aufgenommen. [wikipedia]

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    Der Koran berichtet, gleich dem apokryphen Jakobusevangelium, dass Marias Mutter einen Eid geleistet habe, sie werde, gleichgültig welches Geschlecht das Kind habe, ihr Neugeborenes Gott weihen.
    Der Vater Marias wird im Protoevangelium mit dem Namen Joachim genannt, wo hingegen er im Koran `Imraan heißt. Spätere islamische Historiker nennen ihn Ju’akim. Auffällig hinsichtlich seiner Person ist jedoch, dass der Vater Marias im Koran - im Gegensatz zum christlichen Protoevangelium - in den Hintergrund rückt und die Mutter Marias ebenso wie Maria selbst die Handlung übernehmen.
    Marias Geschichte enthält im Koran eine klare Dominanz der Weiblichkeit. [Quelle]

    Eine Sure mit einem "gender-orientated-subtext"
    (nennt es Angelika Neuwirth, * 1943, Universitätsprofessorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Arabistik an der Freien Universität Berlin).

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    Sure 3, Vers 33-37

    33 Gott erwählte Adam, No-ach, Abrahams Leute und die Leute Imraans aus aller
    Welt [alles Männer]

    34 die einen als Nachkommen der anderen.
    Gott hört und weiß.

    35 Als Imraans Frau sagte: 
    „Herr, was in meinem Leib ist, gelobe ich dir: Es sei geweiht. So nimm es von mir an!
    Du bist der Hörende und Wissende."

    36 Als sie es dann geboren hatte, sagte sie:
    „Herr, ich habe ein Mädchen geboren ‑

    Gott wusste am besten, was sie geboren hatte. Das Männliche ist nicht wie das Weibliche. Ich habe es Maria genannt und stelle es mit ihren Nachkommen unter deinen Schutz vor dem gesteinigten Satan."

    37 Da nahm ihr Herr sie gut an und ließ sie gut heranwachsen. Er gab sie Zacharias zur Obhut. Sooft Zacharias zu ihr in den Tempel ging, fand er sie versorgt. Er sagte:
    „Maria, woher hast du das bekommen?"
    Sie sagte:
    „Von Gott. Gott versorgt, wen er will, ohne Berechnung."
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    Dieser Koran "für Kinder und Erwachsene" ist leichter zu lesen als ein "normaler" Koran, weil die Suren (=Kapitel) dem Inhalt nach zusammengestellt wurde - und nicht der Länge nach (die längste zuerst, die kürzeste zuletzt.

    So gibt es in diesem Buch ein Kapitel "Vorbildliche Frauen", in dem die Suren über Maryam/Maria [die Mutter Isas/Jesu] und Balqis [die Königin von Saba] gesammelt sind, ergänzt durch einen erläuternden Abschnitt über "Mut zum Widerstand". (Seite 173 - 183)




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    „[...] Maria wird im Koran zusammen mit ihrem Sohn als ,Zeichen für die Menschen' charakterisiert. Auch an ihr kann Gottes Handeln abgelesen werden. Sie gilt als Typos der glaubensbereiten Frau und wird als Beispiel für die Gläubigen hingestellt. Wie die Frau des zunächst ungläubigen Pharao im Gebet ihren Glauben bekennt (Sure 66,11) und wie die Königin von Saba den Ungläubigen ihrer Umgebung im Glauben vorangeht (Sure 27,23-33) [...].

    Maria wird in der islamischen Tradition zusammen mit Aisha [die dritte und jüngste Frau Mohammeds],  Khadidja/Chadidscha [die erste Frau Mohammeds und seine erste Anhängerin]  und Fatima [Tochter Mohammeds aus der Ehe mit Chadidscha] als eine der vier besten Frauen, die je gelebt haben, angesehen und gilt als Haupt der Frauen im Paradies.
    Wie Abraham (Sure 19,41), Idris (Sure 19,56) und Joseph, der Sohn Jakobs (Sure 12,46), wird auch Maria im Koran als ,siddika' charakterisiert, was soviel wie ,gerecht' und ,fromm', auch ,wahrhaftig sein' bedeutet. Quelle: L. Hagemann — E. Pulsfort, Maria die Mutter Jesu in Bibel und Koran (1992)




    Der Koran erzählt in Sure 19, 

    dass Jesus (Isa) von Maria (Miriam/Maryam) "an einem fernen Ort" unter einer Dattelpalme geboren wurde. -
    Also nicht in einem "Haus" (wie im Matthäus-Evangelium) und auch nicht in einem "Stall" (wie im Lukas-Evangelium) wie es im Neuen Testament in der Bibel überliefert wurde.